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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann
Autoren: Evi Simeoni
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Leben?«
    »Ja.«
    Ali zwang sich ein Lächeln ins Gesicht.
    »Mylady haben zugenommen.«
    Ich war dankbar für die Ablenkung und schaute an mir herunter. Seit einiger Zeit war ich auf dunkle Kostüme und hochhackige Schuhe umgestiegen und ging üblicherweise davon aus, dass auf diese Weise meine Figur immer noch als attraktiv durchging. Jeden anderen hätte ich angeherrscht für seine Taktlosigkeit – Ali ließ ich sie durchgehen.
    »Schokolade macht mich willenlos«, sagte ich.
    Alis Gegenwart fühlte sich in diesem Moment an wie eine Befreiung.
    Ich dachte wieder einmal: Warum sind wir eigentlich kein Paar? Welchen Wahnvorstellungen rennen wir eigentlich hinterher? Mir schien mit einem Mal, als hätte ich in den letzten paar Jahren mein eigenes Herz behandelt wie ein Rennpferd. Warum nur? Ich versteckte meine linke Hand mit dem Verlobungsring hinter dem Rücken. Ali trat ins Zimmer und breitete seine Arme aus, ich ging ihm zwei Schritte entgegen und ließ mich umarmen. Die Selbstverständlichkeit, die darin lag, erstaunte mich.
    Als nächstes spürte ich, wie Ali zitterte. Er schluchzte stumm und stoßweise, und nun war ich es, die ihm Halt geben musste. Ich blickte auf und strich ihm mit der rechten Handüber die Wange. Als ich meine Hand zurückzog, war sie feucht von seinen Tränen, und ich wusste plötzlich nicht weiter.
    Ali ließ mich abrupt los, und ich fing sofort an, in meiner Umhängetasche nach Taschentüchern zu kramen. Ich gab ihm eines und bediente mich selbst. Gleichzeitig schneuzten wir uns.
    »Es ist immer dasselbe«, sagte ich schniefend. »Arne gibt uns keine Chance.«
    Ali warf sein zusammengeknülltes Taschentuch auf den verlassenen Nachttisch, kratzte sich am Kopf und schlug dann vor, uns draußen weiter zu unterhalten. Er schaute auf die Uhr: »Ich habe noch knapp zehn Minuten, das reicht nicht für einen Kaffee.«
    Ich sagte ihm patzig, dass ich nicht vorhätte, so lange zu bleiben. Er strich mir versöhnlich über den Oberarm.
    »Sei mir nicht böse. Die Patienten können nicht warten.«
    Er wollte wissen, wie es mir gehe, aber in dem Moment fiel mir keine Antwort ein. Sollte ich ihm von Hubertus erzählen? Stattdessen fragte ich: »Was ist mit Arne?«
    »Er ist sehr schwach. Ich bin vollkommen ratlos.«
    Um Alis Blick zu vermeiden, schaute ich noch einmal auf das leere Krankenbett.
    »Ich würde gerne etwas für ihn tun«, sagte ich. »Aber mir fällt nichts mehr ein.«
    Ali trat einen Schritt zurück und musterte mich mit einem veränderten Blick. »Es ist auch reichlich spät, um darüber nachzudenken«, sagte er.
    Was war das? Der scharfe Tonfall irritierte mich. Ich hatte erwartet, dass Ali mich trösten würde, nun vernahm ich hinter der Trauer und Resignation sogar eine Spur Feindseligkeit.
    »Was meinst du damit?«
    Ali hob beschwichtigend die Hand.
    »Ich weiß, dass du niemandem etwas zuleide tun willst. Aberdu solltest ihn jetzt einmal sehen. Er ist ein Wrack. Fragst du dich nicht manchmal, wie es mit Arne so weit hat kommen können? Und ob dich nicht auch ein bisschen Schuld daran trifft?«
    Ich war so überrascht, dass ich nichts mehr herausbrachte.
    »Anja, du weißt, wie gern ich dich habe und wie ungern ich dir weh tue. Aber du musst den Tatsachen ins Auge blicken.«
    Ich wurde langsam sauer, ganz besonders über seinen gewollt rücksichtsvollen Ton.
    »Welchen Tatsachen? Nur raus damit.«
    Ali kratzte sich schon wieder am Kopf.
    »Meine Frau sagt auch, dass …«
    »Deine Frau? Was weiß denn deine Frau von mir?«
    Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, an diesem Punkt die Unterhaltung zu beenden. Ich spürte Widerwillen gegen alles, was jetzt kommen würde, aber die Auseinandersetzung nahm ihren Lauf.
    Dann wusste ich plötzlich, was mit ihm los war.
    »Auch du bist Arnes Opfer«, sagte ich. »Du bist an seiner kompromisslosen Härte genauso gescheitert wie ich. Nun verlierst du die Kontrolle. Du kannst dir deinen Entlastungsangriff sparen. Ich fühle mich auch so schon miserabel.«
    Ali zeigte sogar mit dem Finger auf mich. »Mit Recht. Du warst es doch, die ihm am nächsten gekommen ist. Du hättest als Erste erkennen müssen, dass etwas nicht stimmt mit ihm.«
    »Ach so«, entgegnete ich. »Jetzt werden Schuldige gesucht.«
    »Unterlassene Hilfeleistung würde ich das schon nennen.«
    Genau in diesem Moment rumpelte eine Frau im blauen Kittel mit einem Plastikwagen voller Putzmittel ins Zimmer, und zwar so hastig, dass wir beide zurückweichen
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