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Schlaflos in Schottland

Titel: Schlaflos in Schottland
Autoren: Karen Hawkins
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seiner Familie, in der er nicht einmal dann sonderlich beachtet wurde, wenn er sein blaues Sonntagsjackett mit dem hohen, steifen Kragen und der eindrucksvoll geschlungenen Krawatte trug. „Du bist nicht für Caitlyn verantwortlich.“
    „Aber ich bin ihre Zwillingsschwester, also ist es meine Aufgabe, ihr aus dem Schlamassel zu helfen, in den sie sich gebracht hat.“ „Lass sie doch, William“, bemerkte der achtzehnjährige Robert von der Tür aus, wo er lässig am Rahmen lehnte, ein großformatiges, dickes Buch in den Armen. Er grinste seinen älteren Bruder mutwillig an. „Vater hat ausdrücklich Triona die Verantwortung übertragen, als er abreiste. Ich habe es gehört.“
    William runzelte die Stirn. „Damit meinte er aber nicht, dass sie nach London durchbrennen soll. Ich bin der älteste Mann im Haus, also sollte das meine Aufgabe sein.“
    Lachend rückte Triona ihre Brille gerade. „Aha! Ich verstehe; du willst den Spaß nicht verpassen. Nun, ich verspreche hoch und heilig, dass ich nicht lange genug dort bleibe, um irgendwelchen Spaß zu haben.“ Sie kreuzte die Finger, hielt sie hoch und rezitierte in ernsthaftem Ton: „Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen.“
    „Ich gönne dir ja deinen Spaß“, erklärte William seufzend. „Ich will nur nicht, dass du dich plötzlich in einer kompromittierenden Situation wiederfindest. Eine Frau ... “
    „... die schon dreiundzwanzig Jahre alt ist.“
    „... die allein reist..."
    „Nurse begleitet mich.“
    „..., und zwar in die verrufenste Stadt der Welt, einen Pfuhl der Sünde und des Lasters.
    „Oh! Das hast du wirklich sehr gut ausgedrückt.“ Sie blickte ihn bewundernd an. „Stammt das aus einem von Vaters Gebetbüchern?“
    William lächelte verlegen. „Du weißt, was ich meine.“
    „Ich weiß, und ich verspreche, vorsichtig zu sein. Aber ich bin die Einzige, auf die Caitlyn hören wird, also muss ich zu ihr.“
    „Ja, aber ...“
    „William!“ Die siebzehnjährige Mary ließ mit einem gereizten Schnauben ihr Strickzeug in den Schoß fallen. „Es geht um einen Notfall ! Caitlyn führt sich so schrecklich auf, dass die arme Tante Lavinia sich gezwungen sah, einen Brief zu schreiben und um Hilfe zu bitten!“ Ihre Lippen zitterten. „Nach dieser Erfahrung wird sie bestimmt niemals wieder einen von uns einladen, die Saison bei ihr in London zu verbringen.“
    William stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich sage nicht, dass wir Caitlyn nicht aus jedwedem Ungemach retten sollten, in das sie sich gebracht hat. Ich würde nur vorher gern Vaters Meinung dazu hören, wie wir mit der Sache umgehen sollen.“
    „Du wirst ihm nicht von dieser Sache berichten!“, verlangte sein kleiner Bruder Michael in energischem Ton. Er saß vor dem Kamin und war in eine Decke gehüllt, damit er in dem kühlen Zimmer nicht fror. Michael war dünn, blass und anfällig für Krankheiten, verfügte dabei jedoch über einen scharfen Verstand, der weit über die normalen Fähigkeiten eines Fünfzehnjährigen hinausging. Er hatte kürzlich unter derselben Grippe gelitten, die auch Triona davon abgehalten hatte, gemeinsam mit Caitlyn die Saison in London zu genießen, und war, anders als seine robustere Schwester, noch immer nicht vollständig genesen. Seine schmalen Wangen waren unnatürlich gerötet, und sein hartnäckiger Husten wollte einfach nicht besser werden. „Vater ist der Letzte, der davon erfahren sollte. Wenn er wüsste, wie schlecht Caitlyn sich benommen hat, würde er keinem von uns jemals mehr erlauben, Tante Lavinia zu besuchen.“
    Sofort pflichtete Mary ihm bei: „Es hat Monate gedauert, bis er endlich zugestimmt hat, Caitlyn und Triona für die Saison nach London gehen zu lassen. Und als Triona krank wurde und nicht reisen konnte, hatte er versucht, die ganze Sache wieder abzublasen. Mutter musste sich einmischen und ...“
    „Ich weiß!“, unterbrach William sie ärgerlich. „Ich war auch hier.“
    „Dann solltest du eigentlich wissen, dass es ein sehr großer Fehler wäre, Vater etwas zu sagen.“
    Michael nickte. „Mary hat recht. Vater würde ...“ Er musste heftig husten und stieß dabei laute, rasselnde Töne aus, die mitleiderregend klangen.
    Triona, die gerade damit beschäftigt war, ihr mit Silberfäden durchwehtes Schultertuch zusammenzulegen, hielt für einen Moment inne und warf ihrem jüngsten Bruder einen besorgten Blick zu. Das Pfarrhaus von Wythburn war ein weitläufiges, zugiges Gemäuer, in dessen Wänden
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