Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister
Autoren: Kevin Brooks
Vom Netzwerk:
sie vorhatte, jemanden zu treffen oder irgendwo hinzugehen, oder ob sie einfach nach Hause wollte. Und was ihren Heimweg anging, so schien niemand zu wissen, wie sie normalerweise nach einer Spätschicht zurückkam, ob sie zu Fuß ging, ein Taxi nahm oder ob jemand sie abholte. Offenbar wusste keiner wirklich viel über Anna. Es gab sogar widersprüchliche Angaben über das, was sie anhatte, als sie ging. Die meisten Angestellten des Wyvern waren sich ziemlich sicher, dass sie die Jeans und das ärmellose weiße Top, das sie den ganzen Abend trug, nicht gewechselt, sondern bloß einen schwarzen Ledermantel drübergezogen hatte und so gegangen war. Nur eine Kellnerin namens Genna Raven war überzeugt, gesehen zu haben, wie Anna sich auf der Toilette umzog. »Sie trug eindeutig hohe Absätze und einen Rock, als sie ging«, wurde Genna zitiert. »Und ich meine, sie hätte ein schwarzes Oberteil angehabt.«
    Über das, was tatsächlich in jener Nacht geschehen war, hatten die Zeitungsartikel nichts weiter zu bieten. Der Rest war Füllmaterial: Vermutungen, Zitate von Mrs Gerrish und DCI Bishop, Informationen über Annas Biografie – wo sie zur Schule gegangen war, ihr Wunsch, Model zu werden, und solche Sachen.
    Zwischen den Zeilen war herauszulesen, dass sich abgesehen von Helen Gerrish wohl kaum einer wirklich Sorgen um Anna machte. Vermutlich war die Geschichte überhaupt nur auf ihr Drängen hin abgedruckt worden, und bald danach hatten die Zeitungen das Interesse verloren. Offenbar glaubte dort niemand so recht daran, dass Anna etwas zugestoßen war.
    Und wahrscheinlich traf diese Einschätzung auch zu.
    Aber anders als die Medien werde ich nicht fürs Mutmaßen bezahlt.
    Also ging ich von Neuem die Zeitungsberichte durch und schrieb jede relevante Information auf. Dann setzte ich all das mit dem Foto und den Einzelheiten zusammen, die Helen Gerrish mir genannt hatte, und ich wollte gerade anfangen, ein paar Telefonate zu führen, als ich hörte, wie die Außentür des Büros auf- und wieder zuging und wie Helen Gerrishs kleine Schritte die Treppe hinunterhuschten. Kurz darauf schwang meine Tür auf und Ada kam rein.
    »Puh«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Die Frau ist echt stressig.«
    »Ja, ich weiß. Irgendwelche Probleme mit dem Vertrag oder sonst was?«
    Ada zuckte die Schultern. »Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass sie ihn überhaupt gelesen hat. Hat ihn einfach unterschrieben und mir den Scheck gegeben.« Ada zog eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Tasche, warf mir eine rüber und dann gingen wir beide zu dem verschlissenen Sofa unter dem Fenster. Ich öffnete es, dann setzten wir uns und zündeten die Zigaretten an.
    Ada betrachtete mich. »Sie wissen schon, dass der leitende Ermittler im Fall Anna Gerrish Mick Bishop ist, oder?«
    »Ja.«
    »Kommen Sie damit klar?«
    »Ich seh keinen Grund, wieso nicht.«
    Sie hielt meinen Blick ein, zwei Sekunden lang fest; anscheinend wollte sie wissen, ob ich mir wirklich sicher war. Dann nickte sie langsam und nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette. »Also«, sagte sie und blies den Rauch aus. »Wie geht’s jetzt in der Sache voran?«
    »Keine Ahnung … ich werde mich heute Abend in Annas Wohnung umschauen und danach sehe ich weiter. Bishop aufsuchen, mit Annas Arbeitskolleginnen reden … mal gucken, ob sich irgendwas findet.«
    »Glauben Sie, dass sich was findet?«
    Ich zuckte die Schultern. »Ich fürchte, nein.«
    Ada schnippte Asche von ihrer Zigarette. »Wenn ich so eine Mutter wie Helen Gerrish hätte, wär ich wahrscheinlich schon vor Jahren weggelaufen.«
    Ich lächelte. »Ich auch.«
    Sie nahm wieder einen Zug von der Zigarette. »Wollen Sie, dass ich Bishop anrufe und einen Termin ausmache?«
    »Ja, bitte. Wenn möglich, für morgen.«
    »Okay. Sonst noch was?«
    »Haben Sie schon Zeit gehabt, die Speicherkarte auszuprobieren?«
    »Ja, aber ich komme nicht an die Daten. Wäre wahrscheinlich gut, wenn Sie Cal fragen, ob er sie sich mal anschaut.«
    Ich nickte. Callum Franks war Stacys Neffe. Im Lauf der Jahre hatte er mir schon oft geholfen, wenn ich zwei zusätzliche Augen oder Beine brauchte. Er lernte schnell, war äußerst zuverlässig, und wenn es um Technisches ging – Computer, Telefone, Aufnahmegeräte –, spielte Cal in einer eigenen Liga. Er konnte praktisch alles mit einem Laptop anstellen … und wenn ich alles sage, meine ich wirklich alles. Legal oder nicht.
    »Okay«, sagte ich und drückte die Zigarette aus. »Erinnern
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher