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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Stefan Holtkötter
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eiskalt. Er reagierte nicht.
    »Halte durch, Jakob. Hilfe ist unterwegs. Bitte halte durch.«
    Es dauerte tatsächlich nur wenige Minuten, da näherte sich ein Unfallwagen mit Blaulicht und Martinshorn. Rettungskräfte schoben Sanna sanft beiseite, untersuchten Jakob und verfrachteten ihn schließlich auf eine Liege. Einer der Männer in den Rotkreuzjacken, ein junger bärtiger Schwarzer, schenkte Sanna ein mitleidiges Lächeln.
    »Bist du seine Freundin?«, fragte er.
    Ohne nachzudenken, erwiderte sie: »Ich bin seine Schwester.«
    »Er schafft es schon. Ganz sicher.«
    Er sagte ihr, in welches Krankenhaus sie ihn brachten. Dann sprang er zu dem anderen in den Unfallwagen, die Türen wurden zugezogen, und sie fuhren mit Blaulicht davon.
    Er würde es schon schaffen. Sanna sah auf die Uhr. Seit über einer Stunde wurde Jakob jetzt operiert. Die Operation würde entscheidend sein. Doch sie konnte nichts tun. Nur warten.
    »Bitte stirb nicht«, flüsterte sie in den leeren Raum hinein. »Bitte nicht.«
    Sie schloss die Augen. Ließ ihren Atem fließen. Versuchte sich auf ihren Körper zu fokussieren. Auf ihre Trauer. Plötzlich hatte sie ein seltsames Gefühl. Sie war nicht mehr allein im Raum. Eilig öffnete sie die Augen.
    Ihr Vater stand in der Tür. Dunkle Stoffhosen, ein Poloshirt, darüber ein Jerseypullover. Sanna traute ihren Augen nicht. Das musste eine Erscheinung sein.
    »Sanna!«, sagte er. »Da bist du ja!«
    Sie war völlig perplex. Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Sprache fand.
    »Papa? Was machst du denn hier?«
    »Was kann ich hier schon machen? Nach dir sehen!«
    Er trat näher. Sanna erhob sich. Da war ein kurzer Moment, in dem sie ihm um den Hals fallen wollte. Doch Umarmungen hatte es bei ihnen nie gegeben, auch nicht, als sie noch ein Kind gewesen war. Sie spürte, wie sie sich versteifte, und gab ihm die Hand.
    »Und da bist du extra nach Bielefeld gefahren?«
    »Natürlich. Was denkst du? Nach allem, was passiert ist. Das war doch das Mindeste.«
    »Aber deine Praxis. Du kannst doch nicht einfach so weg.«
    »Es ist nur für ein paar Stunden. Ich muss auch gleich zurück. Trotzdem wollte ich sehen, wie es dir geht. Mit dem Zug ist man ja in zweieinhalb Stunden hier. Ich habe gedacht, für einen halben Tag kann ich die Praxis schon mal dichtmachen.«
    Er war den weiten Weg von Berlin hergekommen, nur um sie zu sehen. Um sicherzugehen, dass es ihr gut ging. Sie war so gerührt, beinahe wären ihr die Tränen gekommen.
    »Es ist ja eine Menge passiert«, sagte er. »Mein Gott, Sanna. Wo bist du da nur reingeraten?«
    »Mir geht’s gut. Wirklich. Es ist nur …« Sie sah hinüber zu den Operationsräumen. Sofort spürte sie wieder die Beklemmung. »Das mit Jakob ist ziemlich schlimm.«
    Er musterte sie. Es sah aus, als wolle er ihr etwas Wichtiges sagen. Doch dann lächelte er nur und meinte: »Gehen wir ein bisschen spazieren?«
    »Ja, sehr gern«, sagte sie. »Ich kann hier eh nichts tun. Und keiner weiß, wie lange es noch dauert.«
    Sie verließen das Krankenhaus. Draußen erhob sich der Sparrenberg, auf dessen Spitze die alte Burg thronte. Mitten in der Stadt gelegen, überragten der Berg und das Gemäuer alles andere in der Umgebung. Hochhäuser, Kirchtürme und natürlich das Krankenhaus. Der stolze Bergfried leuchtete im Sonnenlicht. Darunter die Burgmauern, die alten Festungsanlagen und der bewaldete Berg. Sanna und ihr Vater spazierten am Hang entlang und machten sich daran, den Burgsteig zu erklimmen.
    Ihr Vater warf einen Blick zurück zum Krankenhaus.
    »Wer ist der Junge eigentlich?«, fragte er.
    Jannis, hätte sie beinahe gesagt. Aber dann hätte er sie endgültig für verrückt erklärt. Wahrscheinlich zu recht.
    »Ich habe mich um ihn gekümmert«, sagte sie. »Er ist im Stift Marienbüren aufgetaucht. Ich wollte ihm helfen.«
    »Du hattest schon immer ein großes Herz. So bist du nun mal. Deshalb hat es mich nicht überrascht, als du unbedingt Sozialpädagogik studieren wolltest.« Er lächelte. »Ganz ehrlich, Sanna: Ich hätte mir gewünscht, du hättest Medizin oder Jura studiert. Aber du hast eben deinen eigenen Kopf.«
    »Ach, Papa …«, begann sie. Wieder dieses alte Thema.
    »Nein, schon gut. Ich will ja gar nichts sagen. Es ist dein Leben. Du entscheidest. Jetzt also Feldenkrais. Ich werde damit leben können.«
    Sie gingen schweigend weiter. Es war ungewohnt, neben ihm zu gehen. Ganz allein in einem Park, ohne den Rest der Familie. Dennoch spürte Sanna eine
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