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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Stefan Holtkötter
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riss weiter auf, immer größere Flecken blauer Himmel waren zu sehen. Ein sonniger Spätsommertag hielt Einzug. Das Haus der Heitbrinks sah bei Sonnenschein betrachtet noch trostloser aus. Die Wasserflecken an der Fassade, der schmutzige Putz, die Risse in der Wand, all das war nun erbarmungslos ausgeleuchtet. Von der Autobahn drang das Geräusch vorbeischießender Wagen herüber. Im Garten wucherte das Unkraut.
    »Hübsches Zuhause«, murmelte die Schulte, bevor sie die Klingel drückte.
    An der Tür erschien eine große und dürre Frau in einem fleckigen Trainingsanzug. Eine Vogelscheuche: hohlwangig, hager, mit struppigen Haaren und hervortretenden Augen. Hinter ihr Lärm aus dem Wohnzimmer. Der Fernseher lief, Werbejingles und aufgeregte Sprecher waren zu hören. Sie machte sich erst gar nicht die Mühe, höflich zu den Kommissaren zu sein. Wahrscheinlich tauchten hier selten Besucher auf, die einen höflichen Umgang verdient hatten. Sie betrachtete die beiden von oben bis unten.
    »Was wollen Sie denn hier?«, bellte sie.
    »Wir möchten mit Beate Heitbrink sprechen«, sagte Böttger. »Ihre Schwester, nehme ich an?«
    »Was geht Sie an, wer meine Schwester ist? Beate ist nicht da.«
    »Frau Heitbrink, bitte. Wo soll sie denn sonst sein, wenn nicht hier? Wir sind von der Polizei. Sagen Sie ihr Bescheid. Wir möchten nur kurz mit ihr reden.«
    Sie betrachtete die beiden voller Misstrauen, dann drehte sie sich um und schrie den Namen ihrer Schwester ins Haus. Dabei hielt sie die Klinke fest umklammert, als wolle sie sicherstellen, die Tür im Zweifelsfall sofort zuschlagen zu können.
    Beate Heitbrink tauchte hinter ihr auf.
    »Kennst du die beiden?«, fragte die Vogelscheuche.
    Beate blickte unglücklich heraus. Sie nickte scheu. Ihre Schwester verstand das offenbar als Aufforderung, zu gehen. Ohne sich noch mal zu den Kommissaren umzudrehen, verschwand sie wieder im Haus. Beate trat näher an die offene Tür heran.
    »Was wollen Sie jetzt noch von mir?« An Böttger gewandt fügte sie hinzu: »Ich hab dem Anwalt davon erzählt, dass Sie hier waren. Er war richtig wütend. Er meinte, Sie dürfen das gar nicht. Und das soll nicht noch mal passieren. Ich muss nämlich nicht mit Ihnen sprechen.«
    Sie sagte es, als hätte sie es mühsam auswendig gelernt. Das war also, was der Anwalt ihr eingebläut hatte. Doch Böttger wusste, sie würde trotzdem mit ihnen sprechen. Einfach, weil sie sich nicht wehren konnte, wenn man sie bedrängte. So gut kannte er sie inzwischen, und Beate Heitbrink machte ein Gesicht, als wüsste sie das auch.
    »Ich möchte, dass Sie meinen Anwalt anrufen, wenn Sie mit mir reden wollen«, versuchte sie es dennoch. »Ich will ihn dabeihaben.«
    »Frau Heitbrink«, sagte die Schulte mit ihrer sanften Stimme. »Wir haben leider schlechte Nachrichten. Jakob hat versucht, sich das Leben zu nehmen. Er ist in Bielefeld von einer Eisenbahnbrücke gesprungen.«
    »Jakob? Wie geht es ihm?«
    Sie wirkte nicht überrascht, das zu hören. Eher, als wäre es ganz natürlich, dass er sich das Leben nehmen wollte.
    »Er liegt auf der Intensivstation. Im Koma. Die Verletzungen sind sehr schwer. Die Ärzte können im Moment noch nichts sagen. Sie sollten sich aber nicht zu viele Hoffnungen machen. Es sieht nicht gut aus.«
    Ihre Züge waren schwer zu deuten. Böttger hätte nicht sagen können, was diese Neuigkeit mit ihr machte.
    »Es war nicht der erste Selbstmordversuch, haben wir erfahren«, stellte er fest.
    »Ja, ich weiß. Er hat früher schon versucht, sich umzubringen.« Ihr Gesicht wurde hart. »Jakob ist eben total kaputt.«
    »Aber das hat doch einen Grund, weshalb er so kaputt ist, oder? Können Sie sich das erklären?«
    Sie sagte nichts. »Die von der Klinik meinten«, fuhr er fort, »Jakob könnte diese Selbstmordversuche unternommen haben, weil er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung litt.«
    Ihr Blick war völlig leer.
    »Das sind Störungen, die entstehen, weil etwas Schlimmes passiert ist. Wenn das von der betreffenden Person nicht verarbeitet werden kann. Die Folge sind Depressionen und Todessehnsucht.«
    Sie senkte den Blick. Offenbar war das keine Theorie, die sie überraschte.
    »Könnten wir kurz reinkommen, Frau Heitbrink?«, fragte die Schulte sanft. »Es dauert auch nur einen Moment.«
    Beate Heitbrink zögerte. Doch Böttger glaubte plötzlich zu erkennen: Im Grunde wollte sie gar keinen Anwalt. Es war beinahe, als würde sie sich wünschen, nicht geschützt zu sein,
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