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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Stefan Holtkötter
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Beate Heitbrink fort. »Ich habe gesagt, wenn du ein braves Mädchen bist, darfst du heute Nacht bei mir im Wohnwagen schlafen.« Sie lächelte. »Das hat sie immer so gern gemacht, wissen Sie. Sie mochte das Haus nicht. Sie hatte Angst vor dem Opa, und ein bisschen auch vor Jakob. Aber im Haus war eben ihr Zimmer, deshalb hat sie da geschlafen. Der Wohnwagen war ja nur für Volker und mich. Ich habe gesagt: Heute Nacht ist der Papa nicht da. Wenn du lieb bist, darfst du bei der Mama im Bett schlafen.«
    Sie drohte ihre Beherrschung zu verlieren. Die Schultern begannen zu beben, ein leises Schluchzen war zu hören. Doch dann nahm sie sich wieder zusammen. Sie wollte dies hier hinter sich bringen, das spürte Böttger genau. Sie wollte stark sein. Und ihre Beichte ablegen.
    »Wir waren in dieser Nacht ganz alleine. Volker und Wolfgang waren unterwegs, die hatten wieder irgendwelche Geschäfte zu erledigen. Ich habe Maikes Lieblingsessen gemacht. Fischstäbchen und Kartoffelbrei. Wir haben zusammen gegessen, im Wohnwagen auf dem Bett. Das hatte sie sich so gewünscht. Sie hat gesagt: Ich habe die liebste Mama der Welt. Und dann hat sie mir mit dem Finger Ketchup auf die Nasenspitze gemalt und sich halb totgelacht darüber. Sie war so glücklich an diesem Abend. Am liebsten hätte ich die Zeit angehalten. Wir zwei im Wohnwagen, und kein anderer Mensch auf der ganzen Welt.«
    Keiner sagte etwas. Schwere lag über der Küche. Weder Böttger noch Schulte wollten die Frage stellen, die greifbar in der Luft lag. Warum sind Sie nicht abgehauen? Warum haben Sie nicht einfach Ihre Tochter genommen und sind zur nächsten Polizeistation? Sie wussten nämlich, darauf hätte es keine Antwort gegeben. Beate Heitbrink hatte niemals darüber nachgedacht, sich gegen die Männer in ihrem Leben zur Wehr zu setzen. Das war gar keine Option gewesen.
    »Nach dem Essen haben wir gekuschelt, bis sie eingeschlafen ist«, sagte sie. »Ich habe sie ganz lange angesehen. Sie sah so hübsch aus. So glücklich. Es war gut, dass sie noch einmal glücklich sein konnte. Und dann … dann habe ich das Kissen genommen. Ich habe …«
    Sie brach ab, verzweifelt. Böttger dachte an die halb verweste Leiche auf dem Tisch der Rechtsmedizin. Ein kleines, kurzes Leben, das keine Chance auf Rettung gehabt hatte.
    »Ich habe getan, was ich tun musste«, sagte Beate Heitbrink. »Was jede Mutter tun muss. Ich habe mein Kind beschützt.«

26
    Der Aufenthaltsraum war in warmen Farben gehalten. Es gab gemütliche Sitzecken mit bequemen Polstergarnituren, große Blumenbilder an den Wänden, und vor den Fenstern hingen hübsch geraffte ockerfarbene Vorhänge. Sonnenlicht fiel von draußen herein. Der Raum lud dazu ein, sich niederzulassen, Tee zu trinken und gemütlich zu plaudern. Selten hatte sich Sanna irgendwo so fehl am Platz gefühlt.
    Ein paar Meter von hier entfernt lag Jakob auf einem Operationstisch und kämpfte um sein Leben. Er hatte schwere innere Verletzungen. Keiner der Ärzte mochte eine positive Prognose abgeben. Da wirkte die freundliche Behaglichkeit dieses Raums, als wäre sie in ein Paralleluniversum gestolpert. Zum Glück war sie allein. Andere Besucher, die hier übers Wetter oder das Krankenhausessen redeten, hätte sie nicht ertragen.
    Sie sah das eine Bild immer wieder vor sich: Jakob, der oben auf dem Viadukt steht, ihr scheinbar zulächelt, sich nach vorn beugt, kurz in der Luft zu schweben scheint und dann nach unten stürzt. Es hatte sich angefühlt, als würde sie ebenfalls abstürzen, ins Nichts.
    Ein Holunderstrauch hatte seinen Sturz abgebremst. Sonst wäre er wohl auf der Stelle tot gewesen. Die Zweige hatten ihm das Gesicht zerschnitten, und als Sanna die Stelle erreichte, an der er lag, war er blutüberströmt gewesen. Die Beine standen in einem unnatürlichen Winkel vom Rumpf ab und sein Blick war starr in den Himmel gerichtet.
    Sie war dort stehen geblieben wie in Trance. Alles wiederholte sich, war ihr erster Gedanke gewesen. Jakob würde in ihren Armen sterben. Genau wie Jannis. Sie hätte es nicht geschafft, ihn zu retten. Es war zu spät. Sie hatte wieder versagt.
    Hinter ihr eine aufgeregte Stimme. »Er lebt noch, oder?«
    Sie wandte sich um. Ein Jogger stand auf dem Rasen. »Ich habe den Notarzt gerufen. Der Rettungswagen ist unterwegs.« Er hielt sein Handy in die Luft. »Sie sagen, es dauert nicht lange. Wir sollen ihn auf keinen Fall bewegen.«
    Sanna kniete sich neben Jakob auf den Boden. Sie nahm seine Hand. Sie war
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