Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Stefan Holtkötter
Vom Netzwerk:
sollten aber aus dem Auto raus.«
    Sannas Tür klemmte, sie war völlig verbeult. Jedoch ließ sich das Fenster noch runterkurbeln. Sofort schlugen dicke Regentropfen auf sie ein. Tante Renate lauschte. Doch der Berg schien wieder zur Ruhe gekommen zu sein. Sie lachte plötzlich schrill auf.
    »Du liebe Güte, ich dachte schon, wir sterben!«
    »Tun wir vielleicht auch, wenn wir nicht schnell von der Kante wegkommen.«
    Sanna kletterte durchs Fenster aufs Autodach. Sie hielt sich nicht lange damit auf, das Chaos zu betrachten, sondern stieg übers Heck nach hinten. Ein paar Meter weiter war die Straße nahezu unversehrt.
    Sie blickte zurück. Tante Renate war noch immer am Auto. Sie streckte den Hintern in die Luft und kramte etwas von der Rückbank hervor. Zuerst tauchte ein weiterer Regenschirm auf, dann die hochwertige Kamera, die sie für ihre Reportagen benutzte. Sanna schüttelte den Kopf. Offenbar hatte sich Tante Renate schnell von ihrem Schock erholt. Sie stellte sich an den Abgrund und begann, Fotos zu schießen.
    »Sei doch bitte vorsichtig«, rief Sanna durch den Regen. »Wie kannst du jetzt nur an deine Arbeit denken? Wo hier die Welt untergeht!«
    Sie lachte. »Wie kann ich hier an irgendetwas anderes als an die Arbeit denken?«, rief sie zurück. »Die Bilder verkaufe ich an alle großen Zeitungen. Mit etwas Glück auch den einen oder anderen Text.«
    Sanna trat vor. Sie dachte an den Mofafahrer. Doch in den Geröllmassen war nichts mehr zu erkennen. Es war unmöglich, dass er dies überlebt hatte. Sie nahm das Handy und rief die Feuerwehr. Die Rettungskräfte wären bereits unterwegs, sagte man ihr.
    Vorsichtig trat sie an die verbogene Leitplanke und sah hinunter. Da war eine riesige Schneise der Zerstörung. Ein Trümmermeer, das bis ins Tal ragte. Sie hatten unglaubliches Glück gehabt.
    Sie betrachtete das Geröll. Felsbrocken, Schlamm, Wurzelwerk, Erde, Kies. Dann war da ein heller Fleck, so etwas wie ein Bündel. Sie legte den Kopf schief. Was konnte das sein? Das war weder ein Stein noch ein Erdklumpen.
    Sie blickte auf. Tante Renate war irgendwo im Regen verschwunden. Sanna blieb unschlüssig stehen. War das etwa Stoff? Ein alter Sack vielleicht? Nach kurzem Zögern kletterte sie über die Leitplanke.
    Vorsichtig prüfte sie den Boden unter ihren Füßen. Alles schien stabil zu sein. Sie näherte sich dem Bündel, das zwischen den Geröllmassen hervorlugte. Jetzt war sie ganz nah. Sie konnte die Hand danach ausstrecken. Es war tatsächlich ein Stück Stoff, eingefärbt von der nassen Erde. Noch einmal blickte sie sich nach Tante Renate um, doch die war nirgends zu sehen. Sie streckte die Hand aus und zog den Stoff zur Seite.
    Sie stieß einen würgenden Schrei aus. Stolperte zurück. Ihre Brust zog sich zusammen, das Grauen packte sie. Unter dem Stoff war die halb verweste Leiche eines kleinen Kindes, das sie aus schwarzen Augenhöhlen anstarrte.

2
    Der Geruch war immer noch vertraut. Es war, als machte er eine Zeitreise. Fünfzehn Jahre, die mit einem Mal weggewischt waren. Ein warmes Gefühl breitete sich in seinem Bauch aus. Er war endlich wieder zu Hause.
    Er schüttelte den Regenschirm aus und stellte ihn in einen Ständer im Eingangsbereich. Der Schirm hatte nicht viel gegen das Unwetter ausrichten können, von den Knien abwärts war Jens Böttger durchnässt, und auch seine Jacke war klamm von der Feuchtigkeit. Doch das störte ihn nicht. Er blickte sich um. Es hatte sich nicht viel verändert. Die Wände hatten einen neuen Anstrich bekommen, außerdem stand neues Mobiliar in der Besucherecke. Doch davon abgesehen war alles wie immer.
    Hinter der Schleuse hockte ein kinnloser, übergewichtiger Pförtner, der vom Kreuzworträtsel seiner Neuen Westfälischen aufsah und ihn misstrauisch beäugte. Er war wie Böttger Mitte fünfzig, dennoch hatte es ihn damals hier noch nicht gegeben. Früher hatte ein junger Spunt an der Pforte gehockt, bei dem immer der Sportkanal lief und der jeden mit einem breiten Grinsen begrüßte. Sicher hatte der längst einen besseren Job ergattert. Schade eigentlich. Jens Böttger trat auf die Glaswand zu, um sich vorzustellen. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, beugte sich der Pförtner über das Mikrofon. Doch bevor er etwas sagen konnte, ertönte eine Stimme hinter Böttger.
    »Mensch, Jens! Du bist es tatsächlich.«
    Er drehte sich um. Harald Hochbohm stand in der Tür. Groß, hager, mit dem Gesicht eines Falken. Die Haare waren inzwischen ergraut, und seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher