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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Stefan Holtkötter
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»Aber ich frage mich: Willst du das überhaupt? Karriere machen? Etwas ganz Neues anfangen?«
    »Ich will nach Hause, Dieter«, hatte Böttger gesagt. »Das ist alles.«
    Dieter hatte daraufhin mit ungewohnt ernstem Gesicht genickt. »Nach Hause«, hatte er nachdenklich gesagt. »Wer kann dir das verdenken?«
    Brüse lehnte sich vor und betrachtete ihn. Dabei spielte er mit seinem Siegelring.
    »Brinkmann meinte, wir hätten einen großen Coup mit Ihnen gelandet«, sagte er. »Er hätte alles versucht, Sie in Köln zu halten, aber es wäre zwecklos gewesen.«
    Auch das war typisch Dieter. Immer ein bisschen zu viel des Guten. Er hatte die Latte dadurch sehr hoch gehängt. Mal sehen, ob Böttger es schaffte, sie nicht gleich beim ersten Sprung zu reißen.
    »Alle waren an den Ergebnissen beteiligt«, wich Böttger aus. »Es gab eine sehr kollegiale Atmosphäre in Köln.«
    »Die haben wir hier auch.« Brüse lächelte kühl. »Es kann nie schaden, wichtige Fürsprecher zu haben«, meinte er vielsagend.
    Wieder so eine seltsame Aussage. Böttger fragte sich, ob dieser junge Kerl tatsächlich glaubte, mit so unnützen kleinen Volten sein Revier markieren zu müssen.
    Der Kriminaloberrat stand schwungvoll auf, schloss sein Jackett und ging zur Tür.
    »Ich bringe Sie zum Polizeipräsidenten. Er möchte Ihnen kurz Guten Tag sagen. Kommen Sie.«
    Gerade, als Brüse die Tür öffnen wollte, wurde sie von außen aufgestoßen. Mit einer geschmeidigen Bewegung sprang er zur Seite. Nur knapp entging er einer Kollision. Harald platzte herein. Brüses Gesicht verdunkelte sich. Doch er kam nicht dazu, ihn zurechtzuweisen.
    »Es hat einen Erdrutsch gegeben«, stieß Harald hervor. »Auf der Straße nach Marienbüren. Hundert Meter Hang, einfach weggespült.«
    Brüses Blick wanderte zum stummen Fernseher. Doch dort waren weiterhin nur Feuerwehrwagen vor überschwemmten Straßen zu sehen und eine blonde Fernsehfrau, die unter einem riesigen transparenten Schirm in ein Mikrofon sprach.
    »Und deshalb platzen Sie hier so herein?«, fragte er.
    »Eine halb verweste Leiche ist freigelegt worden. Offenbar war die am Hang vergraben. Die Einsatzkräfte sagen, es ist eine Kinderleiche.«

    Getötete Kinder. Für jeden Ermittler war das ein Albtraum. Böttger kannte nur wenige Kollegen, an denen das spurlos vorbeiging. Er erinnerte sich an den Fall eines toten Säuglings, den man in einer Kölner Babyklappe gefunden hatte. Ein winziger Mensch, erstickt und in eine Plastiktüte gewickelt. Böttger hatte damals immer an Lara denken müssen, wie er sie im Krankenhaus das erste Mal gehalten hatte. So ein kleines, zerbrechliches Wesen, mit einem zerknautschten Gesicht und winzigen Händchen, die nach seinem Finger gegriffen hatten. Da im Krankenhaus, das war der glücklichste Moment seines Lebens gewesen. Während der Ermittlungen waren er und seine Kollegen jeden Abend nach Dienstschluss in eine Kneipe gegangen, um weiter über den Fall zu reden. Sie waren eine verschworene Gemeinschaft gewesen. Keiner hatte nach Hause gewollt. Es war ihnen aber nicht nur darum gegangen, in dem Fall alles zu geben. Auf Böttger hatte es gewirkt, als wollten sie sich gegenseitig stützen. Kraft aus der Gemeinschaft schöpfen. Damit sich der Schrecken, der sie alle erfasst hatte, etwas besser bewältigen ließ.
    Gemeinsam mit Harald Hochbohm machte sich Böttger auf den Weg nach Marienbüren. Der Regen hatte plötzlich nachgelassen, als hätte er mit dem Abrutschen des Hangs erreicht, was er wollte, und könnte sich nun zurückziehen. Sprühregen wehte gegen die Windschutzscheibe, begleitet von den monotonen Bewegungen der Scheibenwischer. Die Straßen standen noch immer unter Wasser. Überall flossen Rinnsale. Doch es sah aus, als ginge es jetzt nur noch darum, dass das Wasser abfloss. Das Schlimmste war vorüber. Harald hockte vornübergebeugt am Lenkrad und fixierte die Straße, als wollte er einen kleingedruckten Text entziffern.
    »Mensch, Mensch«, stöhnte er wieder. »Was für ein Neuanfang. Tut mir echt leid für dich.«
    »Ach was. So ist es nun mal.«
    Die Plaudereien über vergangene Zeiten waren durch den Leichenfund beendet worden. Nun wappneten sie sich für das, was sie am Hang erwarten würde. Böttger betrachtete die aufgeweichte Landschaft.
    »Haben sie gesagt, wie alt das Kind ist?«, fragte er.
    »Nein. Aber es muss noch ziemlich klein sein. Ein Mädchen. Sehr lange kann es noch nicht unter der Erde gelegen haben. Der Verwesungsprozess, du
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