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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Stefan Holtkötter
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weißt schon.«
    Draußen zog die vertraute Landschaft an ihnen vorbei. Böttger hätte immer noch blind nach Marienbüren gefunden. Er kannte alle Ortschaften der Gegend wie seine Westentasche. Auf ihrem Weg waren die Veränderungen erkennbar. Straßen waren ausgebaut und verbreitert worden. Es gab Kreisverkehre und an den Rändern der Dörfer waren neue Industriegebiete entstanden. Fertigungshallen, hohe Metallzäune, LKW -Zufahrten. Doch immer wieder boten sich ihm Aussichten, die noch waren wie vor fünfzehn Jahren. Große Bauernhöfe, umgeben von hohen Buchen, kleinteilige Agrarflächen, auf denen Mais und Getreide wuchs, alte Fachwerkdörfer, die sich in ein Tal schmiegten. Und über allem die bewaldeten Hänge des Teutoburger Walds.
    Irgendwann war die Straße abgesperrt. Ein Polizeiauto stand quer auf der Fahrbahn. Ein Mann in Uniform knotete ein Absperrband an die Leitplanke. Ein anderer winkte Autos heran, beugte sich zum Fenster herab und sprach mit den Insassen. Vor ihnen eine Familienkutsche, die umständlich wendete und den Weg zurück nahm.
    Harald fuhr vor und kurbelte das Fenster herunter. Regen sprühte herein. Er erklärte dem Kollegen, wer sie waren, das Absperrband wurde zur Seite gezogen und sie fuhren weiter. Nun waren sie allein auf der Straße. Alles war menschenleer und wirkte ausgestorben, bis der Unglücksort vor ihnen auftauchte. Mitten im aufgeweichten Hang klaffte ein Loch von gut hundert Metern Durchmesser, wie von einer riesigen Baggerschaufel hineingerissen. Schmutzig braune Erdschichten waren zu erkennen, grauer Regendunst schwebte über der Abrisskante, schlammiges Wasser sammelte sich. Die Straße vor ihnen war wie mit der Schere abgeschnitten. Geröll lag herum, abgeknickte Fichten, dahinter ein Abgrund. Unten im Tal waren klitzeklein die leuchtenden Regenjacken der Rettungskräfte zu erkennen. Schweres Gerät war aufgefahren worden. Auch waren Spürhunde im Einsatz. Dort unten wurden weitere Menschen vermutet, die hoffentlich noch lebend geborgen werden konnten. Doch das musste sie jetzt nicht interessieren. Sie waren aus einem anderen Grund hier.
    Am Straßenrand waren Einsatzwagen geparkt. Streifenpolizisten standen herum, von ihren Schirmmützen tropfte das Wasser. Die Rechtsmedizin war bereits eingetroffen, ein Leichenwagen parkte am Straßenrand. Dann waren da noch zwei Dienstwagen des Präsidiums. Die Leute von der Kriminaltechnischen Untersuchung. Nahe der Abbruchkante war mit einer Plane ein provisorisches Zelt neben der Straße errichtet worden, wahrscheinlich, um die Kinderleiche vor dem Regen zu schützen. Als ob nach diesem Unwetter noch irgendwelche Spuren zu retten wären, ging es Böttger durch den Kopf.
    »Sind wir hier überhaupt sicher?«, fragte er. »Oder kommt von da oben gleich der nächste Erdrutsch runter?«
    »Die Leute vom Katastrophenschutz sagen, erst mal passiert nichts mehr. Wir sollen aber besser nicht zu nah an die Abbruchkante ran. Nur für alle Fälle.«
    Böttger sah zu dem Abgrund. Ein alter zerbeulter Golf stand an der Abbruchkante. Der musste zu den Auffindungszeugen gehören. Zwei Frauen, die offenbar großes Glück gehabt hatten, was den Erdrutsch anging. Ein oder zwei Meter weiter, und sie wären tot gewesen. Die beiden waren in Bielefeld im Krankenhaus. Der Notarzt meinte, es ginge ihnen gut, aber trotzdem sollten sie durchgecheckt werden, für alle Fälle. Böttger würde später mit ihnen sprechen.
    Harald schnappte sich ein Regencape vom Rücksitz und stieg aus. Böttger sah sich um. Sein Schirm stand immer noch im Eingangsbereich des Präsidiums. Er schlug den Kragen seiner Jacke hoch und verließ ebenfalls den Wagen. Der Regen hatte etwas nachgelassen, aber die Wolkendecke hing immer noch tief. Harald blickte weit über das Tal in den Himmel. Mit seiner Hakennase, die unter dem Regencape herausragte, sah er aus wie ein alter Bauer, der nach besserem Wetter Ausschau hielt. Dann schüttelte er den Kopf, wandte sich ab und ging auf die Kollegen zu.
    Der Rechtsmediziner, ein bärtiger Naturbursche mit schweren Stiefeln und sonnengegerbter Haut, kam ihnen entgegen. Er begrüßte Harald, danach schweifte sein Blick zu Böttger, und seine Stirn legte sich in Falten.
    »Das ist Jens Böttger«, erklärte Harald. »Hat heute seinen ersten Arbeitstag bei uns. Er kommt aus Köln.«
    »Na, dann herzlich willkommen«, meinte der Mediziner trocken.
    »Was können Sie sagen?«, fragte Böttger.
    »Anhand des Verwesungszustands würde ich sagen:
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