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Schläft das Personal auch an Bord?

Schläft das Personal auch an Bord?

Titel: Schläft das Personal auch an Bord?
Autoren: Andreas Lukoschik
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Schiff. Wären da nicht diese riesigen Fenster, man wähnte sich sonst wo, aber nicht auf dem Meer. Doch Gott sei Dank sind die Fenster da und diesen Blick vergisst man nie: Leicht abgedunkelt liegt da die über den Horizont sanftgewölbte Unendlichkeit der Wasserwelt vor einem. Gleißend. Träge. Und so gottvoll herrlich von Wolkentürmen bekränzt, dass man juchzen möchte. Käme einem eine solche Gefühlswallung angesichts so vieler technisch-orientierter Herren um einen herum nicht völlig albern und fehl am Platze vor, täte man es. Aus vollem Herzen.
    Rechts und links – hoppla –, auf der Steuerbord- und Backbordseite der Brücke gibt es diese netten Balkone – »Nock« mit Namen. Genau da steht der Kapitän beim Einparken im Hafen und schaut runter, wie viele Zentimeter der Kahn mit dem Bug- und Heckstrahlruder noch an die riesigen Fender der Quaimauer (für Landratten: Das ist so eine Art Puffer) herangedrückt werden kann. Manchmal haben die Nocks sogar einen Glasboden, damit sich der Chef nicht zu weit rauslehnen muss. An den Nocks kann man übrigens das Brückendeck auch vom Kai aus leicht erkennen. Dann weiß man: Da oben steht der Kapitän. Und das ist immer der Fall, wenn er seinen Pott in einen Hafen ein- oder ausfährt.
    Ansonsten sitzt er auf der Brücke. Auf einem erhöhten Stuhl. Das ist der Kapitänsthron. Natürlich ist der nur erhöht, damit er auch im Sitzen weit nach vorne schauen kann. Logisch. Trotzdem darf nur ER darauf sitzen. Falls man sich bei einer Brückenführung darauf setzen sollte – ohne dass man von IHM dazu aufgefordert worden ist –, muss man der gesamten Besatzung ein Getränk ihrer Wahl ausgeben. Jedem eins!

    Seinen Pott allein in den Hafen ein- oder ausfahren kann der Captain trotz Throns nicht. Na ja, können wird er es meistens schon, aber er darf es nicht – zumindest nicht, wenn sein »Bötchen« länger als 90 Meter ist. Und das sind sie alle, die zurzeit ihre Passagiere auf dem Wasser bewegen. (Tendenz zunehmend.) Deshalb braucht der Captain einen Lotsen an seiner Seite. Ob er will oder nicht. Das ist Vorschrift. ( ⇒ Siehe dazu »Lotse«)
    Zum Schluss die Frage: Woher stammt der Name »Brücke« überhaupt? Eigentlich ist es doch eher eine Art Kommandostand und nichts, was wie eine Brücke über ein Tal gespannt ist. Das stimmt. Doch wer alte Schiffsskizzen einsehen kann oder die Gelegenheit hat, die HMS Warrior aus dem Jahr 1860 im Hafen von Portsmouth zu besichtigen, wird feststellen, dass die Brücke früher in der Tat wie eine Art riesige Planke von der Steuerbordreling zur Backbordreling reichte und das Deck, wo die Matrosen arbeiteten, über»brückte«. Weshalb man auch unter ihr hergehen konnte (was bei den heutigen Brücken nur wenigen gelingt) . Auf diese »Decküberbrückung« verlegte der Captain seinen Platz, nachdem er jahrelang auf dem Achterdeck (für Landratten: »hinten«) gestanden hatte, um von dort sein Schiff zu befehligen (was wir alle aus diversen Piratenfilmen kennen). Seitdem ist die Brücke das höchstgelegene Deck – ob vorne, in der Mitte oder ganz hinten –, von dem man die beste Sicht über den Bug in Fahrtrichtung hat.

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C

Captain’s Table
    Da steht er. Im Zentrum des Hauptrestaurants: die maritime Version von König Arthur’s Tafelrunde. Gut einsehbar von allen Seiten, damit alle, die an ihm Platz nehmen, gesehen werden können. Das mag dem Kapitän nicht immer so wichtig sein. Seinen Gästen aber meistens schon. Denn wer an den Captain’s Table geladen wird, gilt als »Großer« an Bord. Oder fühlt sich zumindest so.
    Man glaubt nicht, was schon alles unternommen wurde, um eine Einladung an diesen besonderen Tisch zu bekommen: Da wurden mehrere Tausend Euro »Motivierungsgelder« angeboten, es wurden Schiffsärzte instrumentalisiert, Bordgeistliche mobilisiert, Reedereien mit E-Mails bombardiert und im Gegengeschäft eine Weltreise gebucht. So groß wird die Ehre eingeschätzt, an der Seite des Captains Platz nehmen zu dürfen. Selbst wenn es nur ein einziges Mal ist. Auf einigen kleineren amerikanischen 5-Sterne-Schiffen bleibt die einmal zusammengestellte Tischordnung sogar für die gesamte Reise erhalten. Dadurch werden die Tischgenossen des Captains natürlich sehr aus der Schar aller Passagiere herausgehoben. Aber das sollensie auch. Denn meistens erfahren diejenigen Passagiere das Privileg, an der Seite des Weißgewandeten mit den vier Streifen Platz zu nehmen, die die teuersten Kabinen gebucht haben.
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