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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix
Autoren: Bruce Sterling
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Überzeugung mit einem tiefen Ernst, den weder Constantine noch Lindsay aufzubringen vermochten. Auch sie war bereits ehelich verbunden - mit einem Mann, der sechzig Jahre älter war als sie; aber der Ehebruch verlieh der ausgedehnten Verführungskampagne dann nur eine zusätzliche Würze. Am Ende hatte Lindsay sie für sich gewinnen können. Aber gleichzeitig mit ihrer Hingabe und seinem Besitz ihrer Liebe ging ihre tödliche Entschlossenheit weiter.
    Sie wußten alle drei, daß ein spektakulärer Suizid-Akt die Republik zu verändern imstande sein würde, wenn sämtliche anderen Mittel hoffnungslos ins Leere verpuffen sollten. Sie trafen ein Abkommen, schlossen einen Selbstmordpakt: Philip sollte weiterleben, um die Arbeit voranzutreiben; dies sollte ihm Trost bieten für den Verlust Veras und die freundlose Einsamkeit, mit der er nach Veras und Lindsays Demonstrativtod würde zu leben haben. Dann hatten sie alle drei fieberhaft und verstohlen gemeinsam auf ihren Tod hingearbeitet, bis dann ihr , Veras, Tod wirklich gekommen war und die glatten gedankenschlüpfigen Ideale in klebrige, blutige Wirklichkeit verwandelt hatte.
    Die Kamera ließ den Sicherungsschuber der Zollschleuse aufklappen. Das Geräusch war knirschend und verriet schlechtgewartete Hydraulik. Lindsay schüttelte die Vergangenheit von sich. Er schwebte durch einen kahlgeplünderten Gang auf das schwache Tageslichtflimmern zu.
    Er kam auf dem Flugzeuglandeplatz heraus, der von schmutzigen Maschinen vollgestopft war.
    Das Landekissen befand sich genau zentriert auf der zentralen Zero-Gravitätsachse der Kolonie. Und Lindsay konnte von hier aus den Zaibatsu in seiner Gesamtlänge durch grandiose fünf Kilometer düsterer und stinkender Luft begutachten.
    Zuerst fielen ihm die Färbung und Ausformung der Wolken auf.
    Die Wolken waren mißgestaltet und übermäßig gebläht und hatten einen scheußlichen gelblichen Schimmer. Sie zerfaserten, rissen auf und wurden in den übelriechenden Aufwinden der Landparzellen des Zaibatsu zerquetscht und verformt.
    Der Gestank war schlimm. Auf jeder der zehn Zirkumlunarwelten der Concatenation gab es einen bestimmten »Ortsgeruch«. Lindsay erinnerte sich, daß ihm seine eigene Heimatrepublik als »stinkend« erschienen war, als er nach dem Aufenthalt an der Shaper-Akademie zum erstenmal nach Hause zurückkehrte. Allerdings kam ihm die Luft an diesem Ort hier so stinkend vor, daß sie einen ersticken konnte. Schleim begann aus seiner Nase zu träufeln.
    Jede der Concatenatenwelten sah sich den Problemen biologischer Veränderung im Verlauf der Alterung des Habitats gegenüber.
    Fruchtbarer Boden erforderte pro Kubikzentimeter ein Minimum von zehn Millionen Zellbakterien. Und dieser unsichtbare Grundstock von Lebewesen bildete die Voraussetzung für alles Wachstum und alle Frucht. Die Menschheit hatte dies in den Weltraum hinausgetragen.
    Aber die Menschheit und ihre Symbionten hatten die Schutzdecke der Luftatmosphäre abgestreift. Die Strahlungspegel stiegen unermeßlich hoch. Die Zirkumlunaren Welten verfügten zwar über mehrere Meter dicke Abschirmungen aus Mondgeröll, doch dies schützte sie nicht vor den plötzlich auftretenden solaren Flares, den Hitzeausbrüchen der Sonne, und dem unkalkulierbaren Beschuß durch kosmische Strahlung.
    Ohne die Bodenbakterien war das Agrarland weiter nichts als eine lebenlose Schicht von importiertem Mondstaub. Und wo es die Mikroben gab, bestand das unablässige Risiko von Mutationen der Flora und Fauna.
    Die »Republik« führte einen harten Kampf, um ihre »Sauermarsch« unter Kontrolle zu bekommen. Aber im Zaibatsu hatte sich die Bodenübersäuerung zu einer Epidemie ausgeweitet. Pilzmutationen hatten sich wie Bohrschlämme bei Ölquellen ausgebreitet und unter der Krume eine Myzelkruste gebildet. Diese klebrig-dichte Schicht war wasserabweisend und erstickte die Bäume und das Gras. Die abgestorbene Vegetation wurde von Fäulnis befallen. Der Ackerboden trocknete aus, die Luft wurde feuchtigkeitsgesättigter, auf den sterbenden Feldern gedieh der
    Mehltau, in den Obstpflanzungen blühte der Schimmel, graue stecknädelchengroße pelzige Knötchen, die sich zu unregelmäßigen Wucherungen ausbreiteten ...
    Wenn die Situation einmal bis zu diesem Stadium verkommen war, konnte die Welt nur durch verzweifelte Anstrengungen »gerettet« werden. Man mußte die Bevölkerung evakuieren, den Sauerstoffvorrat über die Dekompressionsschleusen in den Weltraum entweichen lassen, die
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