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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix
Autoren: Bruce Sterling
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    Sundog-Gürtel
     

1. Kapitel
     
    THE MARE TRANQUILLITATIS PEOPLE'S
    CIRCUMLUNAR
    ZAIBATSU {1} : 27-12-'15
     
    Sie expedierten Lindsay in der billigsten Art von mechanistischem Schlepp ins Exil. Zwei Tage lang war er taub und blind, von Drogen betäubt, war sein Körper in eine dichte Matrix von Dezelerationspaste eingeschlossen.
    Nach dem Abschuß vom Frachtausleger der Republik war der Schleppsack mit kybernetischer Genauigkeit in den Polarorbit eines anderen Zirkumlunars getrieben. Es gab insgesamt zehn dieser Welten in Mondumlaufbahn, und sie waren nach den lunaren Maria und Kratern benannt, aus denen die Rohstoffe zu ihrem Bau stammten. Sie waren als erste National-Staaten dazu übergegangen, sämtliche Beziehungen zu der erschöpften, ausgeplünderten Erde ( Terra ) abzubrechen. Ein Jahrhundert lang war ihre Lunar-Allianz Symbol zivilisatorischer Verflechtung, war der merkantile Verkehr zwischen diesen »verketteten« Concatenatenwelten sehr dicht gewesen.
    Seit jenen Tagen der Herrlichkeit allerdings war die Concatenation immer mehr von den jüngeren Vorstößen in größere Tiefen des Weltraums in den Schatten gestellt worden, und der Lunarbereich war mehr und mehr zu provinziellem Stillstand verkommen. Die Allianz war zusammengebrochen, verdrießlicher Isolationismus und technischer Verfall hatten sich ausgebreitet. Die zirkumlunaren Welten waren aus dem Stand der Gnade gefallen, und keine davon in stärkerem Maße als jene, die man Lindsay als Exil bestimmte.
    Seine Ankunft wurde von Kameras überwacht. Nachdem ihn die Andockschleuse seines Luftsacks ausgespuckt hatte, schwebte er nackt und schwerelos in der Zollstation des Zirkumlunaren Volks-Zaibatsu des Meeres der Stille. Die Kammer bestand aus stumpfem mit Streifen zerfressenen Epoxydklebers, wo man die Vertäfelung weggerissen hatte. Früher einmal war das eine Flitterwochensuite gewesen, in der sich Neuvermählte fröhlichen Aktivitäten in der Schwerelosigkeit hingeben konnten. Nun war der Raum zur kahlen bürokratischen Kontrollstelle umfunktioniert. Lindsay war nach seinem Trip noch unter der Einwirkung der Drogen. An seiner rechten Armbeuge hing ein Tropfschlauch, durch den er wiederbelebt werden sollte. Schwarze Adhäsionsplättchen, die Biomonitoren, sprenkelten seine nackte Haut. Er teilte den Raum mit dem Brummen einer Kamera. Das Zero-G-Videosystem verfügte über zwei Paar kolbenbetriebene kybernetische Arme.
    Lindsays verschwiemelte graue Augen öffneten sich. Auf seinem hübschen Gesicht mit der reinen blassen Haut und den elegant geschwungenen Brauen lag der schlaffe Ausdruck der Betäubung. Die scharfgekrausten Haare fielen ihm über die hohen Wangenknochen, auf denen noch Spuren eines drei Tage alten Rouge zu erkennen waren.
    Seine Arme zuckten, als die Stimulantien zu wirken begannen. Dann war er plötzlich wieder bei Sinnen. In einem wogenden Schub körperlicher Energie setzten seine Trainingsreflexe wieder ein, so heftig, und plötzlich, daß der Krampf ihm die Zähne schnattern ließ. Seine Augen streiften durch den Raum. Sie glitzerten vor unnatürlicher Wachheit. Die Gesichtsmuskulatur bewegte sich, wie sich kein menschliches Gesicht sollte bewegen dürfen, und auf einmal lächelte er. Er betrachtete sich, dann lächelte er ungezwungen und mit weltgewandter Nachsicht in die Kamera.
    Sogar die Luft schien im Strahlen seiner Netter-Kumpel-Masche wärmer zu werden.
    Der Schlauch in seinem Arm löste sich und schlängelte in die Wand zurück. Die Kamera begann zu sprechen.
    »Du bist Abélard Malcolm Tyler Lindsay? Aus der Mare Serenitatis Circumlunar Corporate Republic? Du erstrebst politisches Asyl? Du führst in deinem Gepäck oder als Implantat deiner Person keinerlei biologisch aktive Stoffe mit? Du importierst keinerlei Explosivstoffe oder Software-Angriffs-Systeme? Deine Intestinalflora wurde sterilisiert und durch Mikroben nach Zaibatsu-Standard ersetzt?«
    »Ja, das trifft genau zu«, antwortete Lindsay in eben dem Japanisch, das die Kamera gesprochen hatte. »Ich habe kein Gepäck.« Er konnte sich geläufig in der modernisierten Form dieser Sprache ausdrücken, die ein mundschlüpfiger Merkantildialekt war und sämtlicher ehrender Höflichkeitsfloskeln entbehrte. Geläufigkeit in Fremdsprachen war Teil seiner Ausbildung gewesen.
    »Du wirst sehr bald in einen Bezirk entlassen, der ideologisch entkriminalisiert wurde«, fuhr die Kamera fort. »Ehe du den Immigrations- und Zollbereich verläßt, müssen wir dich
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