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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail
Autoren: Venushaar
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Autos.
    Frage: Womit
haben Sie Ihren Lebensunterhalt bestritten?
    Antwort: Mit
nichts.
    Frage: Was soll
das heißen? Haben Sie gestohlen?
    Antwort: Je
nachdem. Manchmal ja. Was hätte ich tun sollen?
    Man hat
doch Hunger.
    Frage: Haben Sie
sich in der Vergangenheit politisch oder religiös betätigt?
    Antwort: Nein.
    Frage: Sind Sie
vorbestraft? Wurde gegen Sie ermittelt?
    Antwort: Nein.
    Frage: Haben Sie
schon einmal in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt?
    Antwort: Nein.
    Frage: Haben Sie
in der Schweiz eine Rechtsvertretung?
    Antwort: Nein.
     
    Während
der Drucker das Protokoll ausspuckt, bleiben alle stumm. Der Junge polkt an
seinen abgekauten schwarzen Fingernägeln. Seine Jacke und die schmutzigen Jeans
riechen nach Zigarettenrauch und Urin.
    Zurückgelehnt
sitzt Peter auf seinem Stuhl und schaukelt, dabei sieht er aus dem Fenster, wo
Vögel ein Flugzeug überholen.
    Ich male
Kreuzchen und Kästchen in meinen Block, ziehe Diagonalen hindurch und schwärze
die entstandenen Dreiecke so, dass ein regelmäßiges Relief entsteht.
    An den
Wänden ringsum hängen Fotos. Der Schicksalslenker ist ein fanatischer Angler.
Hier hält er auf Alaska einen dicken Fisch bei den Kiemen, dort irgendein
karibisches Tier am kräftigen Haken, der aus dem Riesenrachen ragt.
    Hinter
meinem Kopf hängt eine Weltkarte. Übersät mit farbigen Stecknadelköpfen.
Schwarze Nadeln stecken in Afrika, gelbe in Asien. Weiße Nadelköpfe ragen aus
den Balkanländern, Weißrussland, der Ukraine, Moldawien, Russland und dem
Kaukasus. Nach dieser Befragung wird ein weiterer hinzukommen.
    Nadelstichtherapie.
    Der
Drucker verstummt und blinkt rot - das Papier ist alle.
     
    Hochwerter
Nabuccosaurus!
    Ihr
erhieltet von mir schon ein flüchtiges Kärtchen, das mehr und Näheres in
Aussicht stellte. Nun denn!
    Nach
vollbrachtem Tagwerk hinter schwedischen Gardinen kehrte ich heim. Aß
Makkaroni. Las nochmals Eure Botschaft, die mich so höchlich erfreut hat. Mein
Blick ging aus dem Fenster. Wind trieb die Dämmerung heran. Es regnet in
Strömen. Unten auf dem Rasen liegt ein roter Schirm, wie ein klaffender Schnitt
in der Grashaut.
    Aber der
Reihe nach.
    Es
geschieht wahrlich nicht jeden Tag, dass der Postbote unsereins mit Botschaften
aus fremden Landen verwöhnt. Noch dazu solchen! Zwischen Rechnungen und Reklame
die freudige Überraschung: ein Brief von Euch, worin Ihr Euren Staat, den Staat
des großen Nabuccosaurus, bis ins Kleinste beschreibt: seine ruhmreiche
geografische Vergangenheit, Ebbe und Flut der Geschichte, Sitten der Flora und
Gebräuche der Fauna, Vulkane, Gesetze, Katapulte und die kannibalischen
Gelüste der Bevölkerung. Wie zu erfahren war, hat es sogar Vampire bei Euch da
unten und Draculas! Und Ihr führt also das Zepter. Sehr erfreut.
    Zwar
wimmelt es in Eurem Schreiben von grammatischen Fehlern, aber was tut das zur
Sache! Fehler korrigieren, das lässt sich lernen, doch solcherart Botschaft
wird mir von Euch gewiss kein zweites Mal zuteil. Kaiser werden furchtbar
schnell erwachsen und vergessen ihre Reiche.
    An der
beigelegten Karte Eures Inselimperiums, dem gediegenen Werk begabter
kaiserlicher Kartografen, vermag ich mich gar nicht sattzusehen. Wisst Ihr was,
ich werde sie mir hier an meine Wand pinnen! Dann kann ich immer schauen und
rätselraten, wo zwischen all den Bergen, Wüsten und Seen, Filzstiftfeldern,
-wäldern und -metropolen Ihr wohl gerade seid. Und was Ihr so treibt? Seid Ihr
schon umgezogen aus der Sommerresidenz ins Herbstpalais? Oder schlaft Ihr
schon? Eine unversenkbare Flotte behütet Euren Schlaf: Sieh an, sieh an,
Triremen und Unterseeboote umkreisen in Kiellinie die Inseln.
    Und welch
ruhmreicher Name für den wohltätigen Herrn! In bunten Lettern geschrieben! Ich
habe ja so meine Vermutungen, wie Ihr drauf kamt, doch die behalte ich für
mich.
    Nun bittet
Ihr in Eurem Sendschreiben, Einblick zu erhalten in unseren Staat, der Euch
fern und Euren Erdkundlern und Entdeckungsreisenden noch unbekannt ist. Wie
könnte ich dieses Begehren unbefriedigt lassen!
    Was also
gibt es über unser Reich zu sagen? Es ist ein gelobtes, gastliches,
wolkenkratzendes Land. Gemessen an der Fläche, sind drei Jahre im Galopp keine
Entfernung. Gemessen an der Zahl der Mücken pro Körper der Bevölkerung in
schlaflosen Stunden, sucht es seinesgleichen. Gemessen spaziert die Katze auf
der Mauer.
    Unsere
Karte ist reich an weißen Flecken, vor allem wenn es schneit. Die Grenzen sind
so weit, man weiß gar nicht, was
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