Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
Flüssiges fest war, wo Festes sich auflöste, wo der Himmel gefror und Licht und Dunkel ineinander-quollen.
     
    Ins Zeitungsgewerbe verschlug es ihn, als er gemütlich bei einem fettigen Würstchen und einem Stück Brot saß. Das Brot war gut, ohne Hefe hergestellt, nur aus Sauerteig gegangen und in Partridges im Freien stehenden Ofen gebacken. Partridges Hof roch nach verbranntem Maismehl, gemähtem Gras, Brotdampf.
    Das Würstchen, das Brot, der Wein, Partridges Gequassel. Deswegen verpaßte er die Gelegenheit, eine Stelle zu bekommen, die seinen Mund vielleicht an die stramme Brust der Bürokratie gelegt hätte. Sein Vater, der sich aus eigener Kraft zum Gipfel des Einkaufsleiters einer Supermarktkette hoch-gestrampelt hatte, hielt ihm eine mit seiner eigenen Geschichte bebilderte Predigt: »Als ich hier ankam, hab’ ich Schubkarren voll Sand für den Maurer rumfahren müssen.« Und so weiter. Der Vater bewunderte die Geheimnisse der Geschäftswelt – Männer, die Papiere unterschrieben, welche sie mit ihrem linken Arm abschirmten, Konferenzen hinter undurchsichtigem Glas, verschlossene Aktenkoffer.
    Aber Partridge, Öl sabbernd, meinte: »Ach, scheiß drauf.« Schnitt dunkelrote Tomaten auf. Wechselte das Thema zu Schilderungen von Orten, an denen er gewesen war: Strabane, South Amboy, Clark Fork. In Clark Fork hatte er mit einem Mann mit verkrümmter Nasenscheidewand Pool gespielt. Der trug Känguruhlederhandschuhe. Quoyle auf dem Gartenstuhl hörte zu, deckte sein Kinn mit der Hand zu. Auf seinem Anzug für das Vorstellungsgespräch war Olivenöl, auf seiner karierten Krawatte ein Tomatenkern.
     
    Quoyle und Partridge lernten sich in einem Waschsalon in Mockingburg, New York, kennen. Quoyle war über seine Zeitung gebeugt und umkringelte Stellenanzeigen unter »Aus-hilfe gesucht«, während sich seine Hemden in Übergröße drehten. Partridge bemerkte, der Stellenmarkt sei dicht. Ja, meinte Quoyle, das sei er. Partridge gab eine Meinung über die Dürre von sich, Quoyle nickte. Partridge brachte das Gespräch auf die Schließung der Sauerkrautfabrik. Quoyle zerrte seine Hemden aus dem Trockner; mit einem Regen aus heißen Münzen und Kugelschreibern fielen sie zu Boden. Die Hemden waren voller Tintenflecken.
    »Im Eimer«, sagte Quoyle.
    »Nöö«, meinte Partridge. »Reiben Sie die Tinte mit heißer Salzlösung und Talkumpuder ein. Dann waschen Sie die Hemden noch mal, schütten einen Becher Bleichmittel dazu.«
    Quoyle sagte, er wolle es versuchen. Seine Stimme zitterte. Partridge war erstaunt, die farblosen Augen des schwergewichtigen Mannes groß vor Tränen zu sehen. Denn Quoyle war unfähig zum Einsamsein, sehnte sich nach Geselligkeit, nach der Erfahrung, daß seine Gesellschaft für andere ein Vergnügen war.
    Die Trockner ächzten.
    »Hey, kommen Sie doch abends mal vorbei«, sagte Partridge und schrieb seine Adresse und Telefonnummer schräg auf die Rückseite eines verknitterten Kassenzettels. Auch er hatte nicht viele Freunde.
    Am nächsten Abend war Quoyle da, Papiertüten unter dem Arm. Die Fassade von Partridges Haus, die leere Straße lagen in bernsteinfarbenes Licht getaucht. Eine goldene Stunde. In den Tüten eine Packung importierter schwedischer Cracker, Rot-, Rosé- und Weißwein, in Folie verpackte Dreiecke ausländischer Käsesorten. Auf der anderen Seite von Partridges Tür irgendeine heiße, hüpfende Musik, die Quoyle erregte.
     
    Sie waren eine Zeitlang Freunde – Quoyle, Partridge und Mercalia. Die Unterschiede: Partridge, schwarz, klein, ein ruheloser Wanderer über dem Abhang des Lebens, redete die ganze Nacht; Mercalia, Partridges zweite Frau und von der Farbe einer braunen Feder auf dunklem Wasser, scharfer Verstand; Quoyle, beleibt, weiß, stolperte herum, ziellos.
    Partridge blickte über die Gegenwart hinaus, hatte flüchtige Eingebungen über zukünftige Ereignisse, als würden lose Gehirndrähte kurzgeschlossen. Er war mit einer Glückshaube auf die Welt gekommen; sah mit drei einen Kugelblitz eine Feuerleiter hinunterhüpfen; träumte in der Nacht, bevor sein Bruder von Hornissen gestochen wurde, von Gurken. Er war sich seines Glücks gewiß. Er konnte perfekte Rauchringe blasen. Die Seidenschwänze machten auf ihren Zügen immer in seinem Hof Rast.
     
    Als Partridge jetzt in seinem Hinterhof sah, daß Quoyle in einem Herrenanzug steckte wie ein Hund auf einem Witzfoto, fiel ihm etwas ein.
    »Ed Punch, der Chefredakteur von der Zeitung, wo ich arbeite, sucht einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher