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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen
Autoren: Annie Proulx
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immer von Tätowiernadeln vernarbt, die den Namen Petal Bear eingruben.
    Ein Monat feuriger Glückseligkeit. Danach sechs verkorkste Jahre Leiden.
     
    Petal Bear war von Verlangen durchdrungen, aber, nachdem sie geheiratet hatten, nicht mehr nach Quoyle. Das Begehren verkehrte sich in Abscheu wie ein nach außen gewendeter Gummihandschuh. In anderen Zeiten, mit einem anderen Geschlecht wäre sie Dschingis Khan gewesen. Wo sie brennende Städte, das Gestotter und Geplapper von Gefangenen, vom Abreiten der erschütterten Grenzen ihres Reiches erschöpfte Pferde brauchte, hatte sie nur die kleinen Triumphe sexueller Begegnungen. So geht’s, sagte sie bei sich. Vor deinen Augen, sagte sie.
    Tags verkaufte sie für Northern Security Alarmanlagen, nachts wurde sie zu einer Frau, die vor den Zimmern von Fremden nicht haltmachte, die sexuelle Vereinigung um jeden Preis wollte, ob in stinkenden Toiletten oder Besenschränken. Mit unbekannten Männern ging sie überallhin. Flog zu Nachtclubs in fernen Städten. Drehte ein Pornovideo, bei dem sie eine aus einer Kartoffelchipspackung geschnittene Maske trug. Spitzte ihren Lidstift mit dem Schälmesser, daß Quoyle sich wunderte, warum sein Sandwichkäse grün gestreift war.
    Nicht Quoyles Kinn haßte sie, sondern seine kriecherische Unentschlossenheit, als wartete er auf ihren Zorn, rechnete damit, daß sie ihm Leid zufügte. Sie konnte seinen heißen Rücken nicht ertragen, seine unförmige Gestalt im Bett. Den Teil von Quoyle, der wunderbar war, konnte man unglücklicherweise vom Rest nicht trennen. Ein keuchendes Walroß auf dem Kissen neben ihr. Während sie eine merkwürdige Gleichung blieb, die viele Mathematiker anzog.
    »’tschuldigung«, nuschelte er, sein haariges Bein streifte ihren Oberschenkel. Im Dunkeln krochen seine bettelnden Finger ihren Arm hinauf. Sie schauderte, schüttelte seine Hand ab.
    »Laß das!«
    »Speckarsch« sagte sie nicht, aber er hörte es. Nichts an ihm konnte sie leiden. Sie wünschte ihn zur Hölle. Konnte dagegen ebenso wenig tun wie er gegen seine einfältige Liebe.
    Quoyle mit verkniffenem Mund, mit dem Gefühl, daß sich um ihn herum Seile spannten wie von einer Winde zusammengezogen. Was hatte er erwartet, als er geheiratet hatte? Nicht das Discount-Leben seiner Eltern, sondern etwas wie Partridges Hinterhof – Freunde, Rauch vom Grillen, Zuneigung mit ihrer unausgesprochenen Sprache. Doch so kam es nicht. Es war, als wäre er ein Baum und sie ein in seine Seite gepfropfter, dorniger Ast, der sich mit jedem Wind bog, die verletzte Rinde geißelte.
    Was er hatte, war, was er sich vormachte.
    Vier Tage nach Bunnys Geburt kam die Babysitterin, um vor dem Fernsehgerät zu dösen – Mrs. Moosup mit Armen, zu fett für Ärmel -, und Petal streifte ein Kleid über ihren schlaffen Bauch und ihre tropfenden Brüste, auf dem Flecken nicht leicht zu sehen wären, und ging aus, schauen, was sie auftreiben konnte. Schlug einen bestimmten Ton an. Und kochte vor Wut während ihrer Schwangerschaft mit Sunshine im nächsten Jahr, bis das fremde Wesen ihren Leib verlassen hatte.
    In Quoyles trägen Gewässern brodelte Aufruhr. Denn er fuhr die Babys herum, nahm sie manchmal auf Sitzungen mit, Sunshine in einem Beutel, den er sich auf den Rücken schnallte, Bunny Daumen lutschend an seinem Hosenbein. Das Auto zugemüllt mit Zeitungen, winzigen Fäustlingen, zerrissenen Umschlägen, Zahnringen. Auf dem Rücksitz eine Zahnpasta-kruste aus einer zertretenen Tube. Limonadedosen rollten hin und her.
    Abends kam Quoyle in sein gemietetes Haus. Einige seltene Male war Petal da; meistens war es Mrs. Moosup, die in einer Trance aus elektronischen Farben und vorgetäuschtem Leben Überstunden machte, Zigaretten rauchte und sich keine Fragen stellte. Auf dem Boden um sie herum lauter haarlose Puppen. Im Spülbecken stapelte sich das Geschirr, denn Mrs. Moosup sagte, sie sei kein Hausmädchen und würde auch nie eins werden.
    Durch einen Wirrwarr aus Handtüchern und Elektrokabeln ins Bad, ins Kinderzimmer, wo er wegen der Straßenlampen die Rollos herunterzog, wegen der Nacht Bettdecken hochzog. Zwei eng zusammengeschobene Kinderbetten wie Vogel-käfige. Gähnend spülte Quoyle etwas von dem Geschirr ab, ehe er endlich auf die grauen Laken fiel und schlief. Machte die Hausarbeit aber heimlich, weil Petal aufbrauste, wenn sie ihn beim Abstauben und Wischen ertappte, als hätte er ihr das zum Vorwurf gemacht. Oder was anderes.
    Einmal rief sie Quoyle aus
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