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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen
Autoren: Annie Proulx
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geb’s dir.«
    Sein Freund lächelte nicht. War bei der Arbeit. Las ein paar Sekunden lang, hob das Gesicht ins Neonlicht. »Wenn Edna da wäre, würde sie das zerfetzen. Wenn Al es zu sehen kriegen würde, würde er Punch raten, dich rauszuschmeißen. Das mußt du umschreiben. Hier, setz dich hin. Ich zeig’ dir, was nicht stimmt. Es heißt, Reporter kann jeder werden. Du bist der Testfall.«
    Das hatte Quoyle erwartet.
    »Deine Aufhänger«, sagte Partridge. »O Gott!« In einem hohen Singsang las er sie laut vor.
     
    Gestern abend stimmte die Planungskommission von Pine
    Eye mit großer Mehrheit dafür, frühere Empfehlungen für Zusätze zum städtischen Bebauungsplan zu überarbeiten, die die Grundstücksmindestgröße für Wohnbauten in allen Gebieten außer der Innenstadt auf drei Hektar erhöhen würden.
     
    »Das ist ja, als würde man Beton lesen. Zu lang. Viel, viel, viel zu lang. Wirr. Keine Bürgernähe. Keine Zitate. Fad.« Sein Bleistift wütete zwischen Quoyles Sätzen, schüttelte sie durch, stellte sie um. »Kurze Wörter. Kurze Sätze. Aufbrechen. Schau hier, und dort. Hier unten hast du’s. Das ist ’ne Meldung. Rauf damit.«
    Er schob die Wörter herum. Quoyle rückte näher an ihn heran, glotzte, zappelte herum, begriff nichts.
    »Okay, versuch’s damit.«
     
    Janice Foxley, Mitglied der Planungskommission von Pine Eye, erklärte Dienstag abend in einer aufgebrachten Sitzung ihren Rücktritt: »Ich setze mich nicht hierher und sehe zu, wie die Armen in der Stadt für dumm verkauft werden«, meinte sie.
    Kurz vor ihrem Rücktritt hatte die Kommission mit einem Ergebnis von neun zu eins eine neue Bebauungsvorschrift gebilligt. Diese setzt die Grundstückmindestgröße auf drei Hektar fest.
     
    »Nicht besonders packend, kein Stil und immer noch zu lang«, sagte Partridge, »aber die Richtung stimmt. Kapierst du’s? Steigst du dahinter, was ’ne Meldung ist? Was du als Aufhänger brauchst? Hier, schau, was sich machen läßt. Gib dem Ganzen ein bißchen Schwung.«
    Partridges Feuer brachte ihn nie auf Touren. Nach einem halben Jahr redaktioneller Eingriffe hatte Quoyle noch immer kein Gespür für Nachrichten, keine Hand für Details. Vor mehr als seinen zwölf oder fünfzehn Verben hatte er Angst. Hatte einen fatalen Hang zu umständlichen Passivkonstruktionen. »Gouverneur Murchie wurde ein Blumenstrauß von der Erstkläßlerin Kimberley Plud überreicht«, schrieb er, und Edna, die bärbeißige Korrektorin, stand auf und bellte Quoyle an: »Sie gehirnamputierter Schwachkopf. Wie zum Teufel kann man so einen Schwanz schreiben?« Quoyle war nur wieder einer von den halben Analphabeten, die heutzutage als Journalisten arbeiteten. An die Wand mit ihnen!
    Quoyle saß in Versammlungen und kritzelte auf Blöcke. Es hatte den Anschein, als würde er irgendwo dazugehören. Ednas Gebrüll, Partridges Gestichel taten ihm nicht weh. Er war unter dem unbändigen Bruder aufgewachsen, der gnadenlosen Kritik des Vaters. Vom Anblick seines gedruckten Namenszugs erregt. Die unregelmäßigen Arbeitszeiten gaukelten ihm vor, er sei Herr über seine Zeit. War er nach Mitternacht von einer Debatte über die Ausformulierung einer nebensächlichen städtischen Verordnung zum Recycling von Flaschen wieder zu Hause, hatte er das Gefühl, ein Rädchen im Gefüge der Macht zu sein. Sah die Gemeinplätze des Lebens als Zeitungsschlagzeilen. MANN GEHT GEMESSENEN SCHRITTES ÜBER PARKPLATZ. FRAUEN REDEN ÜBER WETTER. TELEFON KLINGELT IN LEEREM ZIMMER.
    Partridge mühte sich ab, ihn weiterzubringen. »Auch was nicht passiert, ist eine Nachricht, Quoyle.«
    »Ich verstehe.« Tat nur so. Die Hände in den Taschen.
    »Die Geschichte über den öffentlichen Nahverkehr im Bezirk? Vor ’nem Monat waren sie so weit, in vier Städten mit dem Busnetz loszulegen, wenn Bugle Hollow mitgemacht hätte. Du schreibst da, daß vergangene Nacht eine Versammlung war, und ganz am Ende erwähnst du so nebenbei, daß Bugle Hollow nicht mitzieht. Hast du eine Ahnung, wie viele alte Leute, Autolose, Leute, die sich kein Auto oder Zweitauto leisten können, Pendler darauf warten, daß dieser verfluchte Bus beikommt? Und jetzt passiert nichts. Nachrichten, Quoyle, Nachrichten. Du könntest ein bißchen Massel gut gebrauchen. « Eine Minute später fügte er in einem anderen Ton hinzu, daß er Freitag abend griechisch marinierten Fisch mit roten Paprika am Spieß machen würde und ob Quoyle kommen wolle.
    Er wollte, überlegte aber, was
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