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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen
Autoren: Annie Proulx
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billigen Reporter. Der Sommer ist vorbei, und seine Uniratten verziehen sich wieder in ihre Löcher. Die Zeitung ist Schrott, aber vielleicht machst du’s ein paar Monate, schaust dich nach was Besserem um. Was soll’s, vielleicht gefällt’s dir ja als Reporter.«
    Quoyle nickte, die Hand überm Kinn. Wenn Partridge ihm vorgeschlagen hätte, von einer Brücke zu springen, hätte er sich zumindest über das Geländer gebeugt. Freundes Rat.
    »Mercalia! Ich hab’ dir den Kanten aufgehoben, schönes Kind. Ist der beste Teil. Komm raus zu uns.«
    Mercalia steckte die Kappe auf ihren Füller. Müde der Wunderkinder, die sich die Nägel abbissen, um Wohnzimmer-stühle kreisten und unmögliche Summen hervorsprudelten, während unter ihren stampfenden Füßen von den Orientteppichen Staub aufwirbelte.
     
    Ed Punch redete mitten aus seinem Mund heraus. Beim Reden schätzte er Quoyle ab, bemerkte das billige Tweedsakko, so groß wie eine Pferdedecke, die Fingernägel, die aussahen wie regelmäßig an einen Schleifstein gehalten. Er witterte in Quoyle Unterwerfung, erriet, daß er Butter mit guter Streich-fähigkeit war.
    Quoyles Augen schweiften an die Wand zu einem Stich voller Wasserflecken. Er sah ein grobporiges Gesicht, Augen wie Glaseier, ein Haarbüschel, das aus dem Kragen ragte und über dessen gestärkten Rand quoll. War das in dem abgesplitterten Rahmen Punchs Großvater? Er machte sich Gedanken über Vorfahren.
    »Das ist eine Familienzeitung. Wir bringen fröhliche Geschichten mit Schwerpunkt aus dem Gemeindeleben.«
    Der Mockinburg Record war auf anbiedernde Anekdoten ortsansässiger Geschäftsleute, Profile volkstümlicher Originale spezialisiert; dieser dünne Stoff wurde mit Rätseln und Preisausschreiben, Meldungen, die gleichzeitig in anderen Zeitungen erschienen, Features und Cartoons unterfüttert. Auch einen Psycho-Test gab es: »Sind Sie Frühstücksalkoholiker? «
    Punch seufzte, tat so, als träfe er eine gewichtige Entscheidung. »Ich stecke Sie zur Lokalpolitik, als Hilfe für Al Catalog. Er wird sie einweisen. Von ihm kriegen Sie Ihre Aufträge. «
    Das Gehalt war erbärmlich, aber das wußte Quoyle nicht.
     
    Al Catalog, ein Gesicht wie ein Kaninchen mit Stoppeln, feuchte Lippen, fuhr mit dem Fingernagelrücken die Auftrags-liste entlang. Sein Blick rutschte von Quoyles Kinn ab wie ein Hammer von einem Nagel.
    »Okay, die Planungsausschußsitzung is’ ’n guter Anfang für Sie. In der Grundschule unten. Machen Sie das doch heut abend. Setzen Sie sich hinten auf ein Stühlchen. Schreiben Sie alles auf, was Sie hören, tippen’s ab. Maximal fuffzich Zeilen. Nehmen Sie ’n Recorder mit, wenn Sie wollen. Zeigen Sie mir die Sache morgen früh. Daß ich sie seh’, bevor Sie sie dem schwarzen Hund zum Korrigieren geben.« Der schwarze Hund war Partridge.
    Quoyle hinten in der Sitzung, auf seinem Block mitschreibend. Ging nach Hause, tippte und tippte die ganze Nacht am Küchentisch. Am Morgen, Ringe um die Augen, vom Kaffee aufgeputscht, ging er ins Redaktionsbüro. Wartete auf Al Catalog.
    Ed Punch, der immer als erster kam, glitt in sein Büro wie ein Aal in eine Felsspalte. Die Morgenparade begann. Der Feature-Mensch, eine Tüte Kokosnußkrapfen in der Hand; die große Chinesin mit dem gelackten Haar; der ältliche Vertriebsmensch mit Armen wie Trossen; die zwei Frauen vom Layout; der Bildredakteur mit dem Hemd von gestern, voller Flecken unter den Achseln. Quoyle hinter seinem Schreibtisch, an seinem Kinn zupfend, den Kopf gesenkt, tat so, als korrigierte er seinen Artikel. Er war elf Seiten lang.
    Um zehn Uhr Partridge. Rote Hosenträger und ein Leinen-hemd. Er nickte und tätschelte sich durch das Redaktionsbüro, steckte den Kopf in Punchs Loch, zwinkerte Quoyle zu, zwängte sich auf den Korrektorenplatz vor dem Computer.
    Partridge wußte tausend Dinge: daß nasse Taue ein größeres Gewicht aushielten, warum ein hartgekochtes Ei besser kreiselte als ein rohes. Mit halb geschlossenen Augen, den Kopf in leichter Trance zurückgelegt, konnte er Baseballtabellen zitieren, wie die Alten Die Ilias herunterspulten. Er formte geistlose Prosa um, kratzte den Schimmel von Jimmy-Breslin-Amitationen. »Wo sind die Reporter von früher?« schimpfte er. »Die nagelkauenden, galligen, alkoholisierten Nachteulen, die wirklich gewußt haben, wie man schreibt?«
    Quoyle brachte ihm seinen Text. »Al ist noch nicht da«, sagte er und schichtete die Seiten auf den Tisch, »da hab’ ich gedacht, ich
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