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Schicksalspfade

Schicksalspfade

Titel: Schicksalspfade
Autoren: Jeri Taylor
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der Erde verstreute, und aus ihnen ging der Mensch hervor. Auf diese Weise wurde die Erde geschaffen, zentriert und geordnet.«
    Stille folgte und Chakotay versuchte nicht, sie mit Worten zu füllen. Er spürte, wie die Ehrfurcht seines Vaters einem Dunst gleich aufstieg. Einmal mehr wünschte er sich, dass es ihm erspart geblieben wäre, an dieser ermüdenden Reise
    teilzunehmen.
    »Denk nur, Chakotay: Wir sind hier, in der Nacht des
    dreizehnten August, dem Datum der Schöpfung, und
    beobachten die Sterne, die auch unsere Vorfahren sahen. Wir erleben noch einmal die Stunden des Anfangs.« Seine Stimme brach ein wenig und Chakotay spürte einen Anflug von
    Verlegenheit, die seinem Vater galt. »Der Krokodilbaum und das Himmelskanu sind nichts weniger als unsere Galaxis, die Milchstraße. Das Sternbild Orion präsentiert den Ersten Vater
    – unsere Vorfahren nannten es Schildkröte. Die drei
    Gürtelsterne – Alnitak, Mintaka und Alnilam – sind die drei Schöpfungssteine. Und Sieben-Ara, der aus dem
    Krokodilbaum gestoßen werden musste, damit der Maisgott wiedergeboren werden konnte, wird von den sieben Sternen des Himmelswagens dargestellt.«
    Kolopak deutete voller Leidenschaft nach oben. »Sieh nur, Chakotay. Die Milchstraße dreht sich aus ihrer Nord-Süd-Ausrichtung und der Himmelswagen fällt dem Horizont
    entgegen. In einer Stunde verschwindet der bezwungene Sieben-Ara und bereitet den Himmel für die Schöpfung vor.«
    Erneut fühlte sich Chakotay von Ruhelosigkeit erfasst. Schon seit zwei Stunden waren sie hier draußen und seine Muskeln fühlten sich steif an, brauchten Bewegung. Außerdem wurde er allmählich hungrig und stand auf, um im Rucksack
    nachzusehen. Bestimmt fand er dort nichts Schmackhaftes, denn Kolopak hatte beschlossen, dass sie während dieser Reise nur die Nahrung der Vorfahren zu sich nahmen. Mit anderen Worten: Chakotay durfte nicht mehr erwarten als Pfannkuchen aus Maismehl, getrocknetes Wildbret und Knollen. Er kramte im Rucksack, holte einen Pfannkuchen und eine Flasche Wasser hervor. Oh, wie lecker.
    »Möchtest du etwas?«, fragte er seinen Vater höflich.
    Vielleicht konnte er diese Sache schneller hinter sich bringen, wenn er den Mustersohn spielte.
    »Nein, danke«, erwiderte Kolopak und blickte noch immer staunend zum Himmel empor. »Ich habe keinen Appetit. Dies alles hat mich überwältigt.«
    Chakotay nahm Platz, aß Pfannkuchen und trank Wasser. Die Nacht war warm und feucht; die kühle Flüssigkeit tat gut. In der Nähe seines Ohrs summte ein Moskito, auf der Suche nach einer eigenen Mahlzeit. Verärgert schlug Chakotay danach.
    Der Himmel über ihnen bot auch weiterhin das von Kolopak so sehr bewunderte Schauspiel. Das »Himmelskanu« der
    Milchstraße neigte sich dem Horizont entgegen und sank, um den Maisgott zum Ort der Schöpfung zu bringen. Wenn der Morgen dämmert, so wusste Chakotay, würde die Schildkröte
    – der Orion – im Zenit stehen, was die Wiedergeburt des Ersten Vaters bedeutete. Chakotay wusste darüber Bescheid, seit er ein kleines Kind gewesen war. Er hatte die Sternkarten gesehen und fand es nicht sonderlich beeindruckend, den Vorgang nun direkt zu beobachten.
    »Wie lange bleiben wir hier?«, fragte er vorsichtig und rechnete damit, dass sein Vater antwortete: »Noch ein wenig länger.«
    Aber Kolopak richtete einen erstaunten Blick auf ihn. »Wir bleiben natürlich die ganze Nacht hier, bis der Erste Vater im Zenit steht, bei der Morgendämmerung.«
    Chakotay dachte kummervoll an ihre Unterkunft – dort gab es Handcomputer mit Büchern und Spielen, die weitaus
    interessanter waren. Hier draußen auf dem Hügel hingegen gab es überhaupt nichts. Er legte sich wieder auf den Boden, schloss die Augen und hörte erneut das Summen des Moskitos, der noch immer nach Nahrung suchte.
    Er erwachte, als ihn die Hand seines Vaters an der Schulter berührte. Kolopak sah auf ihn herab und Freude zeigte sich in seinem Gesicht. »Sieh nur, Chakotay – der Erste Vater wird wiedergeboren.«
    Chakotay setzte sich auf, die Augen vom Schlaf verklebt, mit Schmerzen in den Gliedern und einem schlechten Geschmack im Mund. Am östlichen Horizont zeigte sich das erste, noch sehr schwache Licht des neuen Tages, und Kolopak deutete nach oben. Chakotay hob den Blick und stellte fest, dass sich der Gürtel des Orion – für ihre Vorfahren das Sternbild der Schildkröte – genau im Zenit befand. Das bedeutete die Wiederauferstehung des Maisgottes und Ersten
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