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Schicksal des Blutes

Schicksal des Blutes

Titel: Schicksal des Blutes
Autoren: Stephanie Madea
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zitternden Hände an den Magen, der sich im Schleudergang drehte.
    Amys Herz pochte wieder.
    Nyl stand auf, versuchte, den schwankenden Boden auszugleichen. Oder schwankte er? Whiskey kam ihm mit Magensäure hoch. Er warf einen Blick auf Amy, vernahm ihren schwachen, aber regelmäßigen Puls, sah das Auf und Ab ihres Brustkorbs, der ihre Brüste unter dem Pyjamaoberteil hob und senkte, witterte, dass er sie bis auf ein paar Quetschungen unterhalb der Haut nicht verletzt hatte. Ihre Gedanken glitten wie die eines normalen Menschen umher, als träumte sie etwas Schönes, aber Verwirrendes. Gott, wie hatte er sich nur täuschen lassen können? Der Dämon musste von seiner Gabe, die Gedanken anderer lesen zu können, wissen. Obwohl niemand außer Jonas davon Kenntnis besaß. Diese teuflische Lilith hatte Amy nur wegen seines Versagens getötet. Ihre zarte, menschliche Lebenskraft aufgezehrt, sie skrupellos gequält, ohne ihr eine Chance zu lassen.
    Nyl wandte sich zur Schlafzimmertür und begann zu laufen. Er stieß jeden beiseite, der nicht rechtzeitig auswich und floh, bevor er sich vor Amy übergab, hinaus in das verheerende Wetterchaos, das seinen inneren Aufruhr widerspiegelte.
    Seine schweren Stiefel ertranken in Regenpfützen, Wasser spritzte empor und sein nasser Ledermantel schlug ihm im schnellen Lauf gegen die Knie, als wollte er ihn zu Fall bringen. Dicke Tropfen peitschten ihm beinahe waagerecht ins Gesicht. Es fühlte sich an wie ein Sturzbach von Tränen. Das Unwetter hatte die Nachtaktiven von den sonst belebten Straßen San Franciscos verscheucht und bis auf die ständigen Blitze erhellte kaum etwas die beengende Finsternis. Mattes Flackerlicht huschte über seine schwarze Gestalt. Er war versucht, an dem Fenster mit dem Kerzenschein anzuhalten, seinem Wunsch als Geächteter nach einem behaglichen Zuhause nachzugeben. Doch er rannte weiter.
    Das Keuchen unterdrückend kniete Ny’lane ein wenig später auf harten Steinstufen und lauschte dem zornigen Prasseln auf dem Kirchendach, das seinem Herzschlag glich. Er neigte den Oberkörper nach vorn, um den Schmerz in seiner Brust zu zerquetschen und stützte sich mit den Händen auf dem Boden ab. Man kannte ihn hier, aber sicherlich nicht in solch einem Zustand. Die Zuflucht suchenden Gläubigen warfen ihm scheue Blicke zu. Doch es war ihm egal, welches Bild er abgab, daran konnte er momentan nichts ändern. Irgendetwas hatte ihn hierher geführt, förmlich gezerrt, ihm jede Chance verwehrt, sich auf sein Schiff, die ‚Silver Angel‘, zu verkriechen, um sich so gnadenlos die Kante zu geben, dass er nie mehr aufstand.
    Finger einer menschlichen Hand berührten fast unmerklich seinen kahlen Schädel. Er zuckte zusammen, obwohl er sie erwartet, ja sogar herbeigesehnt hatte.
    „Dóminus vobíscum.“
    „Et cum spíritu tuo.“ Nyl flüsterte heiser die Antworten zum sakralen Singsang, doch sogar der Segen verschaffte ihm keine Erleichterung. Er hatte es so sehr gehofft. Seit er vor einem Monat die Fahrertür von Amys Mini aufgerissen und ihr in die erschreckten Augen geblickt hatte, war er äußerst schlecht darin geworden, seine Gefühle unter Verschluss zu halten. Er soff wie ein Fass ohne Boden. Es war ihm egal, ob es Alkohol oder weibliches Blut war, egal, ob eine Pennerin oder eine beschissene königliche Reinblüterin. Egal, ob er sich benahm wie ein …
    „Erhebe dich, mein Sohn.“
    Nyl kniff die Lider hinter der Sonnenbrille zusammen. Seine Netzhäute brannten, in seinem Schädel zog eine Marschkapelle ihre Kreise. Er zwang seine Fänge zurück in den Kiefer und erhob sich vorsichtig, indem er zuerst den Kopf, dann den Oberkörper hob und aufstand. Seine übermenschlichen Kräfte schienen mit Amys Beinahetod abhandengekommen zu sein. Er überragte den schmächtigen Priester um fast zwei Köpfe, doch noch nie war der Zwerg vor ihm zurückgewichen oder hatte ihm ängstlich ins Gesicht geblickt. Er beneidete den Mann Gottes um seinen Glauben, auf den auch er sich einst verlassen hatte. Neid! Er verlor immer mehr die Kontrolle über sich. Und das lag nur an Amy! Er hatte sich so gut im Griff gehabt.
    Ny’lane bedankte sich wortlos mit einem kurzen Nicken beim Priester und verließ die Kirche. Draußen legte er den Kopf in den Nacken, reckte knurrend die Fäuste dem tobenden Sturm entgegen und ergab sich seinem Sehnen. Schneller als er sich gewahr wurde, was er wieder tat, lag er mit seinem Whiskeyvorrat in irgendeinem der vielen Schlafzimmer seiner
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