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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond
Autoren: Bettina Belitz
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...«, mahnte ich ihn warnend.
    »So?« Er grinste spöttisch und zog mich an sich. »Hast du das?«
    »Na ja. Du hast mir zwar meine Erinnerung zurückgegeben, aber ist das wirklich ein Geschenk, ein Dankeschön, wenn man jemandem etwas gibt, was ihm sowieso gehörte?«
    Colin atmete tief durch und brummelte ein paar gälische Verwünschungen.
    »Gut, dann sind wir ja einer Meinung«, redete ich beschwingt weiter, denn ich witterte einen Sieg. »Finde heraus, worin genau die andere Möglichkeit besteht. Und teile sie mir mit. Danach können wir immer noch beschließen, dass es sinnlos ist. Aber vergiss nicht, dass ich sowieso nach Italien fahre - völlig egal, wie diese Methode aussieht.«
    »Das ist deine Rache für heute Nacht, oder?« Colin drückte mich so fest an seine Brust, dass ich nach Luft schnappte, und sein inniger, harter Kuss ließ die Wunde an meiner Lippe aufplatzen. Mein Blut vermischte sich mit seinem kühlen, köstlichen Speichel. »Du erpresst mich.«
    »Genau«, flüsterte ich atemlos. »Ich erpresse dich. Du wirst wiederkommen.«
    »Nur wenn du mir etwas versprichst, Ellie.« Noch einmal küsste er mich und er musste mich dabei auf seine Hüfte heben, damit ich nicht in den Sand sackte. Ich schlang meine Beine um sein Kreuz und vergrub mein Gesicht an seinem Hals.
    »Alles ...«
    »Ich werde herausfinden, womit wir sie töten könnten. Doch du musst mir versprechen, dass du darüber nachdenkst, diese Methode eines Tages auch bei mir einzusetzen.«
    Meine Logik drückte den tiefen Schrecken in mir sofort zu Boden. Eines Tages. Eines Tages - das war nicht jetzt, auch nicht im Sommer und auch nicht nächstes Jahr. Es war eines Tages. Weit weg. Und vielleicht wollte er es gar nicht mehr, wenn Tessa unser Dasein nicht weiterhin verdunkelte. Er konnte ein ganz neues beginnen. Außerdem sollte ich nur darüber nachdenken. Das war etwas anderes, als es zu tun, obwohl es grausam genug war. Denn wenn ich erst anfing zu denken ...
    »Einverstanden«, sagte ich eilig. »Wie sollen wir den Pakt besiegeln?«
    »Mit Salz.« Colins samtene Stimme machte mich matt und weich. »Zieh dich aus und komm mit mir. Bis die Sonne untergeht.« Er ließ mich los und ich fiel auf die Knie. Skeptisch blickte ich auf die See hinaus. Sie musste eisig sein. Meine Abwehrkräfte waren sicherlich nicht die besten nach all den widerlichen Dingen, die ich hatte über mich ergehen lassen müssen. Doch Colin hatte mir schon meinen Pulli über den Kopf gestreift und den Knopf meiner Jeans geöffnet.
    »Es wird dir nicht schaden. Und mir wird es leichter fallen, im Meer zu jagen und zu leben, wenn ich es mit dir geteilt habe.«
    Das war ein unschlagbares Argument. Mit zwei Tritten hatte ich mich aus meiner Jeans befreit. Hurtig flog der Slip hinterher.
    »Du nicht?«, fragte ich Colin, der nach wie vor in Hemd, Hose und Stiefeln vor mir stand und sich sichtlich an meinem Anblick ergötzte.
    »Es würde möglicherweise merkwürdig wirken, wenn ich splitternackt und ohne ein einziges Körperhaar am Strand von Rügen auftauche und mir ein Zimmer suche.«
    »Ich werde frieren.«
    »Nein. Wenn du dicht bei mir bleibst, nicht.«
    Mit jener kraftvollen Leichtigkeit, die ich so sehr an ihm liebte, nahm er mich hoch und trug mich über die Steine ins Meer hinab. Ich hakte meinen Finger in eine seiner Gürtelschlaufen, um nicht von der Brandung davongerissen zu werden, als die Wellen an meinem Körper zu zerren begannen, doch sobald das Meer sich über uns schloss, wurde es friedlich und machte sich uns gefügig.
    Es war dunkel hier unten und doch konnte ich alles sehen - Colins Augen, die sekundenschnell in ihr glitzerndes Schwarz überwechselten, seine kühne, edle Nase, seine geschwungenen Mundwinkel und das aberwitzige Spiel seiner Haare. Ich atmete langsam aus. Es war wie in meinem Traum - unzählige kleine Wasserperlen legten sich wie Brillanten auf Colins weiße Haut. Ich wollte mich nach oben strampeln, um frische Luft zu holen, doch Colin kam mir zuvor und drückte seine Lippen auf meine. Prickelnder Sauerstoff strömte in meine Lungen. Wie hatte ich je Angst haben können zu ertrinken? Ich konnte gar nicht ertrinken, solange wir nur beisammen waren.
    Ich freute mich auf jeden Atemzug, bei dem er mir seine Luft schenkte und wir immer weiter hinaus aufs Meer entschwebten.
    Doch dann ließ er mich ohne Vorwarnung los und verschwand in den Tiefen der See. Die Wellen umschmeichelten mich wie alte Vertraute, kühl und nachsichtig, um mich
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