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Scherbenhaufen

Scherbenhaufen

Titel: Scherbenhaufen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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verschuldet.«
    »Dann dürfte so ziemlich alles fraglich bleiben?«
    »Ja und nein«, relativiert Anton Geissbühler und vertraut mir nach kurzem Überlegen an: »Sie müssen wissen, Herr Feller, dass eine der befragten Personen soeben ein Geständnis abgelegt hat.«
    Ich werfe meinen Oberkörper demonstrativ in die Stuhllehne zurück. »Was? Und Sie spannen mich mit einer endlosen Parade möglicher Täter und Motive unnötig auf die Folter?«
    Er beschwichtigt: »Wir müssen das Geständnis erst noch überprüfen.«
    »Nur Niklaus Weihermann wird festgehalten. Spricht dieser Umstand nicht für sich?«
     
     
     
     

29
    Letzte Nacht habe ich von gebratenen Wachteln geträumt.
    Wie gewohnt, absolviere ich mein Training auf dem Vitaparcour im Schorenwald. Ich biege in den Trampelpfad ein, der zur ersten Schautafel mit den empfohlenen Dehnungsübungen führt. Dazu passiere ich ein einsames Transfomerhäuschen. Kaum vorbei, werde ich von hinten beworfen. Im ersten Moment vermute ich Tannzapfen als Wurfgeschosse. Es sind jedoch gebratene Wachteln. Ich bleibe stehen und wende mich um, ohne die Wachtelwerfer zu sichten. Von allein wird das gerupfte Geflügel aber kaum geflogen sein. Da singen unvermittelt alle Vöglein. Ich wische mir das Bratfett vom Hinterkopf und jogge verwundert weiter.
    Irgendwo stößt ein Jäger in sein Horn. Als ich kurz darauf die Muskulatur der Oberschenkel stretche, hüpft plötzlich ein Eichhörnchen mit erhobenem Schweif hervor und zeigt mir die lange Nase. Das reicht! Ich erwache aus dem Traum und rätsle über dessen verborgenen Sinn nach.
    Artet Fühlen in Denken aus, bedeutet es nicht selten das Ende. Auch meine Gefühle zu Eleonore Günther werden nochmals gründlich überdacht. Fazit: Ich mag sie. Ellen ist unzweifelhaft meine beste Freundin.
    Und dennoch: Den Platz einer festen Lebenspartnerin wird sie kaum je einnehmen. So direkt habe ich ihr das bisher nicht eröffnet. Ich wünschte, sie käme selbst drauf und mir bliebe das Geständnis erspart. Andrerseits muss ich einräumen, dass sie ihrerseits ebenso wenig von Liebe gesprochen hat. Was empfindet sie? Wie verlaufen ihre Gedankengänge?
    Eleonore Günther und ich spazieren auf dem Trottoir, nachdem wir an die frische Luft hinausgetreten sind. Zuvor ist es in der Detektei zu einer kleinen Verstimmung gekommen. Meine Besucherin hat unverhofft die Frage aufgeworfen, wann wir ›eigentlich endlich mal‹ gemeinsame Ferien buchten. Ich habe darauf zu unwirsch reagiert.
    »Ellen, bist du nicht ebenfalls der Meinung, dass der Zeitpunkt, Urlaubspläne zu schmieden, unpassend gewählt ist?«
    Ich hätte es besser wissen müssen.
    Eleonore Günther hasst Suggestivfragen. Das hat sie mir des Öfteren unmissverständlich zu verstehen gegeben. Heute begnügt sie sich mit entnervtem Schnauben. Damit steht der Match bei 1:1. Der Punktegleichstand dürfte die Ursache dafür sein, dass wir die ersten paar Meter wortlos nebeneinander herzotteln.
    »Wollen wir einkehren?«, schlage ich vor, als das Restaurant ›Burehus‹ in Sichtweite rückt.
    Sie willigt ein und entschärft damit die Beziehungsbombe. Wir setzen uns auf die Terrasse des Lokals und harren zwischen südlichen Topfpflanzen der Bedienung. Auf der Rampe zur ehemaligen Heubühne spielen Kinder. Ein alter Nussbaum spendet ihnen Schatten. An unserem Nebentisch spotten Angestellte einer nahen Bauunternehmung über ihre Vorgesetzten. Im Halbdunkel des verwaisten Speisesaals studiert ein Senior Todesanzeigen im Amtsanzeiger.
    Ein flinker Kellner in schwarz-weißer Montur ist bald zur Stelle. Ich bestelle eine Flasche süffigen Rosé. Kaum steht er im Eiskübel neben dem Tisch, fordere ich Eleonore Günther auf: »Schenk’ mir gleich ein!«
    Der Kellner blickt überrascht über die Schulter zurück und erkennt, dass die Aufforderung nicht ihm, sondern meiner Begleitung gilt.
    Eleonore Günther spielt mit. Sie kontert in theatralischem Tonfall: »Eins ist der Herr, zwei das finstre Chaos und drei die Welt!«, und gießt reinen Wein ein. Anschließend neigt sie sich zum unbesetzten Nebentisch, serviert ein Glas ab und füllt auch dieses bis unter den Rand.
    »Erwartest du noch jemanden?«, wundere ich mich.
    Schalkhaft erklärt sie: »Drei Gläser lob’ ich mir!«
    Das habe ich nun davon, von meinem gelehrigen Kleist-Zitat. Entweder hat meine Begleiterin daran Gefallen gefunden, oder sie ist eben im Begriff, es mir in gleicher Währung heimzuzahlen.
    Eleonore Günther verlangt erneut nach
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