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Schenk mir deinen Atem, Engel ...

Schenk mir deinen Atem, Engel ...

Titel: Schenk mir deinen Atem, Engel ...
Autoren: Dana Kilborne
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Brighton auch gefiel, mit den Gedanken war sie doch woanders.
    Und zwar bei dem Jungen, der sie heute vor dem Ertrinken gerettet hatte. Das war doch so gewesen, oder? fragte sie sich. Aber warum hatte ihn dann niemand gesehen? Und vor allem: Wie hatte er so plötzlich verschwinden können?
    An diesem Abend ging Faith sehr früh ins Bett. Nach der abendlichen Therapierunde war sie so erschöpft, dass sie es nicht einmal mehr schaffte, einen Tagebucheintrag zu machen. Sie wachte noch nicht einmal auf, als Will ebenfalls schlafen ging. Als sie irgendwann mitten in der Nacht die Augen aufschlug, hörte sie ihn am anderen Ende des Zimmers ruhig und gleichmäßig atmen.
    Einen Moment lang lag sie einfach nur da. Silbernes Mondlicht sickerte durch die nur halb zugezogenen Vorhänge. Wie aus weiter Ferne hörte sie das Rauschen der Brandung. Das Geräusch beruhigte sie, es lullte sie förmlich ein. Ihre Glieder waren schwer wie Blei, und sie schlief schon fast wieder, als sie plötzlich ein leises, aber sehr eindringliches Flüstern vernahm.
    Nicht einschlafen, Faith … Steh auf …
    Ein seltsames Gefühl ergriff von ihr Besitz, so, als habe sie keine Kontrolle mehr über ihren eigenen Körper. Wie von selbst richtete sie sich in ihrem Bett auf und schwang die Beine über den Rand. Von ihrem Platz aus konnte sie Will sehen, der, zusammengerollt wie ein Baby, auf der Seite lag.
    Schau ihn dir an, Faith … Siehst du, wie friedlich und sorglos er ist? Nie war er auch nur einen Tag krank, Faith, während du der Aussicht auf einen frühen Tod ins Auge blicken musst. Sag mir, Faith, ist das fair?
    Auf diese Weise hatte sie es noch nie betrachtet. Nein, gerecht war es definitiv nicht, dass sie sich mit ihrer Krankheit herumschlagen musste, während Will vollkommen unbelastet durchs Leben gehen durfte.
    Warum hatte das Schicksal sie einer so harten Prüfung unterzogen? Was hatte sie verbrochen, um das zu verdienen?
    Ich sage dir, was ich denke, Faith. Ich finde, dass es an der Zeit ist, dass du endlich einmal die Sonnenseiten des Lebens kennenlernst. Aber dazu wird es nicht kommen, solange dein Bruder dir im Wege steht. Er verhindert, dass sich auch bei dir endlich alles zum Guten wendet. Willst du dir das gefallen lassen?
    In Faith Kopf drehte sich alles. Sie konnte nicht mehr klar denken. Doch das, was die Stimme ihr einflüsterte, klang durchaus logisch. Nur – was sollte sie unternehmen? Was?
    Hör auf mich, und ich werde dafür sorgen, dass alles gut wird, Faith … Komm …
    Faith stand auf, doch es war nicht ihr eigener Wille, der ihren Körper steuerte. Sie fühlte sich wie eine Marionette, deren Schritte von einer geheimnisvollen Macht gelenkt wurden. Und diese Macht führte sie aus dem Zimmer und lenkte sie den Korridor hinunter, bis sie sich in der Küche wiederfand.
    Was soll das? fragte sie sich selbst. Was mache ich hier?
    Wie ein unbeteiligter Beobachter verfolgte sie, wie ihre Hand nach dem schweren Messerblock auf der Anrichte griff und das große Brotmesser herauszog. Ihr Herz fing an zu rasen. Der kalte Schweiß trat ihr auf die Stirn.
    Aufhören! schrie sie innerlich. Sofort aufhören!
    Doch es ging nicht. Sosehr sie sich auch bemühte, ihr Körper hörte nicht mehr auf ihre Befehle. Halb gehend, halb stolpernd verließ sie mit dem Messer in der Hand die Küche und schlurfte zurück in das Zimmer, das sie sich mit Will teilte.
    Tu es, Faith! Tu es für dich! Wenn du es hinter dir hast, wirst du endlich frei sein und …
    Nein!
    … das Leben führen können, das du dir immer gewünscht hast. Du musst nur …
    NEIN!
    … das Messer heben und es tun, Faith. Tu es!
    NEEEIN!
    Der erstickte Schrei, der sich ihrer Kehle entrang, ließ Faith aus dem Schlaf schrecken. Ihr Puls hämmerte, ihr Atem ging gepresst und stoßweise. Es dauerte einen Moment, ehe das Entsetzen, das sie fest im Griff gehabt hatte, langsam abebbte. Was für ein schrecklicher Traum!
    Sie blickte zu Will hinüber und atmete erleichtert auf, als sie ihn gesund und unbeschadet in seinem Bett liegen sah. Er wirkte unruhig und murmelte leise etwas im Schlaf, das Faith nicht verstehen konnte. Doch davon abgesehen ging es ihm offenbar gut.
    „Du solltest ein Glas Milch trinken – vertrau mir, das hilft.“
    Erschrocken keuchte Faith auf, als sie die leise Stimme aus der dunklen Ecke des Zimmers vernahm. Sie holte bereits tief Luft, um laut zu schreien, als eine bekannte Gestalt aus der Dunkelheit auf sie zutrat.
    „Du?“, fragte sie erstaunt, als
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