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Schattenwandler 03. Elijah

Schattenwandler 03. Elijah

Titel: Schattenwandler 03. Elijah
Autoren: Jacquelyn Frank
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engelsgleichen Babys einzunehmen, war die größte Ehre, die ein Freund dem anderen erweisen konnte. Kurz vor ihrem sechzehnten Lebensjahr hätte er sie in sein Haus gebracht und die Erziehung des Kindes übernommen, als wäre es seine eigene Tochter. Er hätte ihr die Sitten und die moralischen Grundsätze ihres Volkes vermittelt und ihr gezeigt, wie sie mit der ihr angeborenen Kraft umgehen und wie sie sie beherrschen konnte. Diese Verantwortung hätte er nur mit einem anderen Wesen geteilt, der weiblichen Siddah des Kindes. In diesem Fall war das Magdelegna, die Schwester des Königs.
    Der Gedanke an Legna machte seinen Schmerz noch größer. Sie war selbst schwanger, etwa im fünften Monat, und unter den wachsamen Augen ihres Mannes Gideon in Sicherheit. Aber welche Zukunft stand diesen beiden unschuldigen Wesen bevor? Würden sie gejagt werden? Ausgelöscht werden? Als wären sie nur herumsurrende Fliegen, die man mit einem gezielten Schlag zerquetschen muss? Das Schicksal der Babys ging Elijah zu Herzen, und er machte sich Vorwürfe, dass er nicht besser auf sich selbst achtgegeben hatte, damit er auch weiterhin ihr Beschützer sein konnte.
    Der Krieger spürte, wie ein schwarzer Schleier sich über ihn legte, aber das Gefühl kam ebenso aus dem Wissen, dass er seinem Volk und seinem König gegenüber versagt hatte, wie von dem tödlichen Blutverlust. Er hörte weibliches Lachen, das durch die Lust am Töten, die darin mitschwang, hässlich verzerrt wurde – Laute, die keine Frau je von sich geben sollte, ob sie nun eine Schattenwandlerin war oder ein Mensch.
    Schließlich brach Elijah zusammen. Er rollte sich im Gras auf den Rücken und versuchte, sich auf die Sterne über ihm zu konzentrieren. Wie aus weiter Ferne nahm er wahr, dass die bösartigen Frauen weiter ihre Späße mit ihm trieben und wie in einem sadistischen Spiel Stromschläge durch seinen Körper jagten. Der schwarze Himmel wurde von Blitzen durchzuckt. Sein warmes Blut sickerte in das trockene Laub und in das Gras unter ihm. Seit seinem dreizehnten Lebensjahr hatte er das Wetter angerufen. Was hätte er in diesem Augenblick nicht für einen einfachen Regenschauer gegeben. Ein letztes Aufbegehren, durch das der Boden durchnässt wurde, sodass die gesamte Elektrizität, die sie durch seinen Körper schickten, zu seinen Mörderinnen zurückgeleitet wurde.
    Aber dazu war er nicht mehr in der Lage. Seine Gedanken waren alles, was er noch hatte. Es war ihm gleichgültig, ob Ruth seine Gefühle und als Ältere vielleicht sogar seine Gedanken wahrnehmen konnte, obwohl normalerweise nur Männer ihres Typs über diese Gabe verfügten. Ihr Geist war gebrochen, und die böse Magie, von der die anderen angesteckt worden waren, hatte auch sie verdorben, und meist entstanden aus solch bösartigen Verbindungen unerwartete Kräfte.
    Doch nein. Das Einzige, was Elijah noch kümmerte, war die Beschaffenheit der Welt, die er bald hinter sich lassen würde. Nie mehr über einsame Berge und unberührte Strände hinwegstreichen wie der Wind. Sich und die Welt nie mehr reinwaschen wie der Regen. Nie mehr langsam vom Himmel auf die Erde schweben und sich dabei ziellos treiben lassen wie die Schneeflocken. Dass er der Freude an diesen Dingen für immer beraubt sein würde, das ließ ihn verzweifelt aufbegehren. Er öffnete den Mund, um seinen Zorn hinauszubrüllen, aber er brachte keinen Ton heraus.
    Zu seiner Verwunderung hörte Elijah das Echo seines Schreis in der Ferne.
    Es war wild, ungezügelt. Unglaublich schön, und es ließ ihn erzittern, als es durch seine Nervenbahnen fuhr. Er versank in seiner eigenen inneren Nacht, aber der Schrei wiederholte sich, und er merkte, wie er darum kämpfte, ihn zu hören und zu verstehen, was das bedeutete. Plötzlich wich die Kälte in seinem Körper einer unerklärlichen Hitzewelle, und er spürte, wie seine Sinne zu ihm zurückzukehren versuchten, wie sie versuchten, ihre Arbeit wiederaufzunehmen, wie sie sich mit jeder noch funktionierenden Zelle bemühten, an jenem ursprünglichen, überwältigenden Klang festzuhalten.
    Aber er war dem Tod zu nah. Mit einem Gefühl schmerzlicher Enttäuschung, die sein Inneres durchzog, erlag er seinen Verletzungen.

 
    1
    Die Raubkatze schrie über die Waldwiese hinweg, und die im Kreis versammelten Frauen vergaßen ihre sterbende Beute, da sie von einer unbeschreiblichen Angst erfasst wurden. Menschen hatten wie alle anderen Lebewesen angeborene Instinkte, und die Frauen wussten so
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