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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz
Autoren: Rose Gerdts
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einzusprechen.
    «Bleibt ihr bei Germershausen», sagte Steenhoff. «Hans und ich gehen zur Hütte.»
    Navideh Petersen hatte bei ihrem letzten Treffen keinerlei Sympathie für den Unternehmer empfunden, doch der Mann, der jetzt vor ihr am Boden kauerte, hatte nichts mehr mit dem kühlen Geschäftsmann gemein. Wie in Trance wippte er mit seinem gekrümmten Oberkörper vor und zurück. Erst als Navideh ihn an den Schultern festhielt, drehte er langsam den Kopf zu ihr. Sie hätte schwören können, dass er die Polizisten um sich herum erst jetzt wahrnahm.
    «Alles wird gut», sagte sie beschwörend. «Sie sind jetzt in Sicherheit.»
    Hasso von Germershausen sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. Dann schüttelte er den Kopf.
    «Kommen Sie», versuchte Petersen es erneut. «Stehen Sie auf. Ich helfe Ihnen.»
    Plötzlich machte sich Entsetzen in seinem Gesicht breit. Er versuchte zu sprechen, aber Navideh Petersen konnte ihn nicht verstehen. Sie beugte sich noch tiefer zu ihm herunter. Quälend langsam kamen ein paar unverständliche Laute über seine Lippen. Sie schüttelte den Kopf, und Hasso von Germershausen schloss erschöpft die Augen. Sein Atem kam stoßartig. Unter größter Kraftanstrengung versuchte er erneut zu sprechen.
    Navideh legte den Kopf schief und hielt ihr Ohr direkt vor seinen Mund. Als sie seine Worte endlich verstand, stieß sie einen unterdrückten Schrei aus.
    «Was ist los, Navideh? Was sagt er?» Wessel schaute sie erschrocken an. Ihr Gesicht war kalkweiß, als sie sich zu ihm umdrehte.
    «Hier sind überall Landminen vergraben!»
    Im selben Moment hörten sie ein Krachen, als würde Holz zersplittern.
    «Halt!», schrie Michael Wessel. «Geht da nicht rein!» Aber seine Warnung ging im Lärm der eingetretenen Tür, die gegen die Innenwand der Hütte schlug, unter. Das Letzte, was er von den Kollegen sah, war, wie Hans Jakobeit hinter Steenhoff in die Hütte stürmte. Sekunden später ging drinnen das Licht an.
    «Kommt raus, schnell!», schrie Michael Wessel.
    Jakobeits Kopf erschien im Türrahmen. Er zuckte fragend mit den Schultern.
    «Passt auf!», rief Wessel erneut. Offensichtlich verstand der Kollege nicht, was er ihm sagen wollte. «In der Hütte könnten Sprengfallen sein. Das Grundstück ist vermint.»
    Er hörte, wie Jakobeit Steenhoff etwas zurief. Plötzlich stand auch Steenhoff in der Tür.
    «Maren Krohn ist tot», rief er. «Sie hat eine Überdosis Tabletten geschluckt und sich die Pulsadern aufgeschnitten.» Beschwörend fügte er hinzu: «Von ihr geht keine Gefahr mehr aus, hört ihr? Bleibt, wo ihr seid. Ich alarmiere die Kollegen. Sie werden uns hier rausholen.»
    Michael Wessel sah, wie Steenhoff zum Handy griff. Er hörte die Worte ‹Krankenwagen› und ‹Delaborierer›. Im selben Moment schoss Navideh Petersen aus der Hocke hoch. In ihren Augen flackerte die nackte Panik.
    «Ich will hier weg», stieß sie keuchend hervor.
    «Bist du verrückt? Du kannst bei jedem Schritt von einer Mine zerrissen werden!», fuhr Michael Wessel sie an.
    Er hielt sie am Arm fest, aber Navideh Petersen schubste ihn weg und stürmte in Richtung der Baumgruppe.
    Sie war nur wenige Schritte weit gekommen, als Michael Wessel sie einholte. Mit aller Kraft umklammerte er seine Kollegin von hinten.
    Navideh Petersen wehrte sich heftig und trat, um seinen eisernen Griff zu lockern, nach seinen Beinen. «Lass mich los. Lass mich los!», schrie sie und schlug wie wild um sich.
    «Was ist da los bei euch?», rief Steenhoff. Aber er erhielt keine Antwort.
    Michael Wessel drehte Petersen mit einem Ruck zu sich um und schlug ihr mit der flachen Hand kräftig ins Gesicht.
    «Tut mir leid», stammelte er bestürzt.
    Navideh Petersen starrte ihn an. Wie gelähmt stand sie vor ihm. Plötzlich gaben ihre Beine nach.
    Geistesgegenwärtig fing Michael Wessel sie auf.

[zur Inhaltsübersicht]
    45
    Steenhoff schaltete den Beamer aus. Im selben Moment drückte Hans Jakobeit auf den Schalter an der Tür. Als das Licht im Konferenzraum anging, sah Steenhoff in die erschütterten Gesichter seiner Kollegen.
    Er hatte ihnen das Video vorgespielt, mit dem Maren Krohn ihren Gefangenen stundenlang gequält hatte. Anschließend hatte er ihnen die Sequenz gezeigt, in der Hasso von Germershausen zitternd auf dem mit Heide überwucherten Grundstück vor der Hütte stand. Im Hintergrund war die Stimme von Maren Krohn zu hören, die ihrem imaginären Publikum erklärte, wer der Mann ist und wovor er Angst hat. An einer
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