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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss
Autoren: Silvia Roth
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etwas, das sich schwer fassen ließ und das ihn dennoch irgendwie erschütterte.
    »Du bist Polizist geworden«, erklärte sie, als er bereits an der Tür war, und zu seiner größten Verwunderung klang es beinahe stolz, wie sie das sagte. Als ob sie auch nur das Geringste mit ihm, mit seinem Leben und seiner Entwicklung zu tun hätte.
    »Ja«, sagte er, ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen. Dann trat er auf den langen, penibel sauberen Flur hinaus und zog die Tür hinter sich ins Schloss.
     
     
     

3
     
    »Malina.« Er schleuderte den Namen quer durch den Raum wie einen Fehdehandschuh. Das Ergebnis war, wie bereits nach dem Tod des Kassierers, eine geradezu beängstigend tiefe Stille. Niemand rührte sich.
    Niemand reagierte.
    Selbst die Dicke hatte es irgendwie geschafft, ihren rasselnden Atem unter Kontrolle zu bringen, und ließ nur hier und da ein ersticktes Schnappen hören.
    Winnie Heller lauschte ihrem eigenen Herzschlag, der mit beängstigender Intensität in ihrem linken Ohr pochte, während sie darauf wartete, wie es nun weitergehen würde. Sie lag noch immer bäuchlings auf dem kalten Steinboden, aber ihr Adrenalinpegel war mittlerweile so hoch, dass sie klar denken konnte. Ich habe zwei Männer gehört, resümierte sie, und beide haben akzentfreies Deutsch gesprochen. Hinzu kam der Mann, der die Angestellte im grauen Kostüm zu Boden gestoßen hatte und der zugleich der einzige Angreifer war, den sie bislang zu Gesicht bekommen hatte. Er war maskiert gewesen, ein Umstand, den Winnie insgeheim als gutes Zeichen verbuchte. Die Männer, die sie überfallen hatten, waren vorsichtig. Sie wollten davonkommen. Und das hieß, dass dieser Spuk, was immer er bedeutete, irgendwann vorbei sein würde.
    Ob es außer den beiden, dem Schatten und der Stimme, noch andere gab, Helfer, schweigende Komplizen, konnte sie nicht sagen. Sie schienen sich kaum zu bewegen, und falls doch, taten sie es so leise, dass man selbst in der erdrückenden Stille der Schalterhalle nichts ausmachen konnte, das irgendwelche brauchbaren Rückschlüsse zugelassen hätte. Das Einzige, was Winnie Heller mit einiger Sicherheit zu wissen glaubte, war, dass die Angreifer denselben Eingang benutzt hatten wie sie selbst ein paar Minuten zuvor, nicht den Hintereingang, der rechts hinter den drei Schaltern auf eine ruhige Seitengasse hinaus führte. Und dass sie ganz offenbar nicht auf Geld aus waren. Zumindest nicht auf Geld allein. Was sich an Bargeld in den Kassen befand, hatten sie bislang nicht angerührt, vielleicht, weil sie wussten, dass es dort versteckte Fallen gab, bestimmte Geldscheine, die mit dem Sicherheitssystem der Bank verbunden waren und Alarm auslösten, sobald man sie herauszog.
    Trotzdem, irgendeiner von den Angestellten wird doch bestimmt daran gedacht haben, auf eins von diesen Knöpfchen zu drücken, dachte Winnie Heller, indem sie sich die vor Angst halb erstarrte Blondine in Erinnerung rief, die der Maskierte aus einem der Büros gezerrt hatte. Immerhin war die Frau ein paar wertvolle Augenblicke lang allein gewesen. Unbemerkt und unbeobachtet. Oder war am Ende auch sie von den Vorgängen in der Schalterhalle überrumpelt worden? War das Tempo dieses Überfalls zu hoch, waren die Angreifer zu klug, zu lautlos vorgegangen? Aber was, zum Henker, haben diese Kerle eigentlich vor?, überlegte Winnie Heller, während ihre Wange die Kühle des Marmors in sich aufsog und dabei immer kälter und gefühlloser wurde. Und warum lassen sie sich so gottverdammt viel Zeit dabei? Warum verschwinden sie nicht einfach mit einem der Angestellten im Tresorraum, packen ein, was sie tragen können, und gehen dorthin zurück, wo sie hergekommen sind?
    »Malina«, wiederholte in diesem Augenblick der Mann, den sie für den Anführer hielt, und etwas an seinem Tonfall ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
    Irgendjemand sollte dem Kerl antworten, dachte sie unbehaglich. Zugleich hörte sie Schritte, die auf dem nackten Marmor widerhallten. Zum ersten Mal etwas, das wirklich fassbar war. Zum ersten Mal mehr als ein Schatten.
    Die Schritte kamen quer durch den Raum und stoppten ein paar Meter von ihrem Kopf entfernt. Winnie Heller registrierte Schuhe, Stiefel vielmehr, etwas, das nach Militär oder doch zumindest nach Outdoor aussah. Den Mut, genauer hinzusehen, brachte sie nicht auf. Nicht, nachdem sie schon einmal unangenehm aufgefallen war.
    »Du! Steh auf!«
    Ein metallisches Klicken, als er seine Waffe entsicherte. Und ein erstickter
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