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Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Titel: Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Autoren: Torsten Fink
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können, aber seit die Gebäude um den Turm gewuchert waren, war das nicht mehr möglich, es sei denn, man kletterte hinaus auf das Dach, und dafür fühlte er sich nun wirklich zu alt. Einer der Soldaten lag bäuchlings dort und hatte sich bis zum Rand vorgetastet. Über die moosbewachsenen Schindeln hatten sich ebenfalls Tonscherben verteilt.
    Hochmeister Quent kratzte sich über die weißen Bartstoppeln. » Er könnte in den Bach gestürzt sein. Dann hätte ihn die Strömung mitgerissen, und sie werden ihn irgendwo weiter unten finden«, vermutete er, » wenn es nicht doch eine Katze war.«
    Der Soldat auf dem Dach wandte den Kopf. Es war ein junger Mann mit auffallend kleinen, abstehenden Ohren. » Ich denke, es war ein Mensch, Herr, denn ich habe hier etwas schwarzen Stoff gefunden. Außerdem glaube ich, dass er sich hier festhielt, denn von dieser Schindel fehlt ein gutes Stück.«
    » So, glaubt Ihr?«, meinte der Hochmeister knapp. Er hatte wenig Lust, sich von einem Soldaten belehren zu lassen.
    » Seltsam ist nur, dass er zwischen Burg und Bach hätte aufschlagen müssen, dort unten, wo Hauptmann Fals gerade das Ufer absuchen lässt. Er müsste dort unten liegen, mit zerschmettertem Leib. Aber da ist er nicht«, meinte der Soldat. Quent erinnerte sich jetzt: Es war einer der beiden Leutnants der Burg, aber den Namen wusste er nicht. Er gähnte. Die ganze Nacht hatte er auf dem Nordturm verbracht, weil er, letzten Endes vergebens, gehofft hatte, durch die Wolken einen Blick auf die Sterne werfen zu können. Der Wanderer stand ganz in der Nähe des Sternbilds des Jägers – ein Schauspiel, wie es so nur alle fünfundsiebzig Jahre zu beobachten war. Er hatte sogar darüber nachgedacht, die Wolken auseinanderzutreiben, aber dann hatte er es doch gelassen, denn er pflegte grundsätzlich einen sehr zurückhaltenden Umgang mit der Magie, und erst die kommende Nacht war die entscheidende. Dann würde der Wanderer die Pfeilspitze berühren – wenn seine Berechnungen richtig waren. Unter anderem diese Berechnungen hatte er im Schein einer Öllampe überprüft, wieder und wieder, und dabei auf das Loch in den Wolken gewartet, das nicht kommen wollte. Jetzt brauchte er dringend eine Stunde Schlaf, wollte zuvor aber noch ein paar alte Sterntabellen durchgehen. Die Nachricht von einem geheimnisvollen Eindringling war daher höchst unwillkommen – wie eigentlich alles, was seine Studien störte.
    Quent erinnerte sich jetzt sogar dunkel, gegen Morgen einen dumpfen Knall gehört zu haben, aber da es danach ruhig geblieben war, hatte er dem keine weitere Beachtung geschenkt. Er konnte sich schließlich nicht um alles kümmern. Er blickte sich um. Die Aussicht war überwältigend. Unter ihm lag die Burg, darunter waren die dicht gedrängten Häuser der Stadt, durch den Kristallbach in Alt- und Neustadt geteilt, und dahinter das Tal und die hohen Berge, zwischen denen schnelle Wolken dahinzogen. Es würde ein kalter, aber schöner Herbsttag werden, und in der kommenden Nacht würden die Wolken aufreißen, wenn er sich nicht sehr täuschte. Eigentlich täuschte er sich nie, was das Wetter betraf. So gesehen, hätte er die vorige Nacht auch in seiner Kammer verbringen können, denn er hatte doch selbst Regen und eine dichte Wolkendecke vorhergesagt. Andererseits hatte er die Nacht nutzen können, um die Tabellen durchzurechnen und einige seiner Notizen zu sichten und zu übertragen. Die Arbeit hörte eben nie auf.
    Er drehte sich um und blickte in die finstere Miene seines Adlatus, der, so nahm er jedenfalls an, immer noch auf ein Lob für seine Falle wartete. Im Grunde genommen war Quent sogar beeindruckt. Er hielt sonst nicht viel von den alchemistischen Spielereien seines künftigen Nachfolgers, weil sie recht wenig mit altehrwürdiger Magie zu tun hatten, und er hätte es nicht für möglich gehalten, diese tückische Falle so fein zu justieren, dass sie ihren Zweck erfüllte, ohne gleichzeitig den halben Bergfried in die Luft zu sprengen. » Wenn er sich dort festhalten konnte, wie dieser Soldat sagt, dann scheint die Explosion ihn nicht getötet zu haben, oder?«
    » Das Pulver muss nass geworden sein«, murmelte der Adlatus verlegen.
    Meister Quent hob amüsiert die Augenbrauen, und auf seiner breiten Stirn faltete sich die magische Tätowierung, die ihn als einen Zauberer des neunten Ranges auswies, in ein schmales Labyrinth. Der Adlatus hatte seine Bemerkung falsch verstanden, aber Quent hielt ohnehin nicht viel
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