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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht
Autoren: D Koontz
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hatte ich hier in den Bergen nicht für immer Zuflucht gesucht. Ich hatte die höheren Mächte lediglich um eine Auszeit gebeten, die mir auch gewährt worden war. Doch nun tickte die Uhr wieder.
    Als ich das Überwachungsprogramm des Heizungssystems verließ, wurde der Bildschirm schwarz. Nur ein knappes Menü in weißer Schrift leuchtete noch auf. In der nun stärker spiegelnden Fläche nahm ich hinter mir eine Bewegung wahr.
    Sieben Monate lang war die Abtei wie ein Ruhepunkt im Fluss gewesen, in dem ich mich träge im Kreis gedreht hatte, immer dasselbe vertraute Ufer im Blick. Nun wurde der wahre Rhythmus der Strömung erkennbar. Düster, ungezähmt und unerbittlich spülte sie das Gefühl des Friedens fort und trieb mich erneut auf mein Schicksal zu.
    In Erwartung eines Schlags oder einer Stichwaffe wirbelte ich auf dem Bürostuhl herum, um mich dem zu stellen, was sich im Bildschirm spiegelte.

4
    Was mein Rückgrat in Eis und meinen Mund zu Staub verwandelt hatte, war Furcht vor einer Nonne.
    Batman hätte verächtlich die Nase gerümpft, und Odysseus hätte bestimmt auch kein Verständnis für mich gehabt, aber ich hätte den beiden erklärt, dass ich nie behaupten würde, ein Held zu sein. Im Herzen bin ich nur ein Grillkoch, der momentan keine Stelle hat.
    Zu meiner Verteidigung muss ich zudem erwähnen, dass es sich bei der würdigen Gestalt, die soeben das Computerzimmer betreten hatte, nicht um eine beliebige Nonne handelte, sondern um Schwester Angela, die Mutter Oberin. Sie besaß zwar das liebenswerte Gesicht einer allseits verehrten Großmutter, aber die stählerne Entschlossenheit des Terminators.
    Natürlich meine ich den guten Terminator aus dem zweiten Film der Serie.
    Normalerweise tragen Benediktinerinnen eine graue oder schwarze Ordenstracht, doch die Gemeinschaft hier trug Weiß, weil es sich um einen zweimal reformierten Ableger eines bereits früher reformierten Ablegers von reformorientierten Benediktinerinnen handelte. Dennoch war es den Schwestern keineswegs recht, wenn man ihnen unterstellte, sich den Prinzipien der Trappistinnen oder Zisterzienserinnen angenähert zu haben.
    Ihr müsst nicht verstehen, was das bedeutet. Der liebe Gott höchstselbst ist noch damit beschäftigt, das auszutüfteln.

    Im Kern bedeuteten diese ganzen Reformen, dass die Schwestern orthodoxer waren als jene modernen Nonnen, die sich offenbar in erster Linie als Sozialarbeiterinnen sahen, nur dass sie sich von Männern fernhielten. Hier beteten die Schwestern auf Lateinisch, aßen freitags kein Fleisch und hätten jeden Liedermacher, der bei der Messe einen sozialkritischen Song zum Besten geben wollte, sofort mit einem vernichtenden Blick mundtot gemacht.
    Laut Schwester Angela ging die Gemeinschaft auf das erste Drittel des vergangenen Jahrhunderts zurück, als die Kirche noch auf ihre Zeitlosigkeit vertraut habe und als die Bischöfe noch nicht »völlig daneben« gewesen seien. Da die Schwester erst 1945 geboren war, hatte sie die von ihr bewunderte Ära zwar nie kennengelernt, meinte jedoch, sie würde lieber in den Dreißigerjahren leben als im Zeitalter des Internets und via Satellit ausgestrahlter Verdummungsshows.
    Ich sympathisiere ein wenig mit diesem Standpunkt. In jenen Tagen gab es schließlich noch keine Atomwaffen und keine organisierten Terroristen, die bedenkenlos Frauen und Kinder in die Luft sprengten. Außerdem konnte man überall Kaugummi der Marke »Black Jack« kaufen, und zwar für nicht mehr als fünf Cent pro Packung. Diese zugegeben triviale Information stammt aus einem Roman. Ich habe aus Romanen eine Menge erfahren. Manches davon ist sogar wahr.
    Schwester Angela setzte sich auf den zweiten Stuhl. »Schon wieder eine ruhelose Nacht, Odd Thomas?«, fragte sie.
    Aus früheren Gesprächen wusste sie, dass ich heute nicht mehr so gut schlafe wie früher. Schlaf ist eine Art Frieden, und den habe ich mir noch nicht verdient.
    »Ich konnte einfach nicht zu Bett gehen, bevor es anfängt zu schneien«, erwiderte ich. »Ich wollte sehen, wie die Welt weiß wird.«

    »Der Blizzard hat immer noch nicht eingesetzt. Aber abgesehen davon ist ein Kellerraum ein äußerst merkwürdiger Ort, um darauf zu warten.«
    »Das stimmt, Ma’am.«
    Sie verfügte über ein ganz eigenes, liebenswertes Lächeln, das sie lange und geduldig aufrechterhalten konnte. Hätte sie einem ein Schwert vor die Nase gehalten, so wäre das kein so wirksames Druckmittel gewesen wie dieses nachsichtige Lächeln.
    Nach
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