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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht
Autoren: D Koontz
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einem Schweigen, bei dem es sich um einen Test unserer jeweiligen Willenskraft handelte, sagte ich: »Ma’am, Sie machen den Eindruck, als würden Sie meinen, dass ich etwas verschweige.«
    »Verschweigst du denn etwas, Oddie?«
    »Nein, Ma’am.« Ich deutete auf den Computer. »Ich habe nur die Haustechnik hier im Gebäude überprüft.«
    »Aha. Dann bist du also für Bruder Timothy eingesprungen. Ist der wegen seiner KitKat-Sucht endlich in eine Klinik eingewiesen worden?«
    »Ich mache mich einfach gern mit den Dingen hier vertraut … um von Nutzen zu sein«, sagte ich.
    »Die Pfannkuchen, die du an jedem Wochenende zum Frühstück backst, sind das größte Geschenk, das uns ein Gast der Abtei je gemacht hat.«
    »So lockere Pfannkuchen wie ich macht tatsächlich sonst niemand auf der Welt.«
    Schwester Angelas Augen leuchteten in demselben fröhlichen Blau wie das teure britische Porzellan meiner Mutter, das diese gelegentlich an die Wand oder auf mich geschleudert hatte. »In dem Lokal, wo du gearbeitet hast, hattest du bestimmt eine Menge treue Fans.«
    »Ich war ein Star mit dem Bratenwender.«
    Sie lächelte mich an. Lächelte und wartete.

    »Diesen Sonntag mache ich Bratkartoffeln. Die hab ich hier noch nie gezaubert.«
    Lächelnd spielte sie mit der Holzperlenkette, an der das Kreuz auf ihrer Brust hing.
    »Es ist einfach so, dass ich einen schlimmen Traum hatte. Mit einem explodierenden Heizkessel.«
    »Ein Traum, in dem ein Heizkessel explodiert ist?«
    »Genau.«
    »Also ein echter Albtraum, ja?«
    »Er hat mich sehr nervös gemacht.«
    »War das etwa einer von unseren Heizkesseln?«
    »Schon möglich. Im Traum war nicht klar, wo sich das Ding befand. Sie wissen ja, wie Träume sind.«
    Ein Zwinkern ließ ihre porzellanblauen Augen aufleuchten. »Hast du in diesem Traum etwa gesehen, wie brennende Nonnen schreiend durch die verschneite Nacht rannten?«
    »Nein, Ma’am. Du lieber Himmel, nein! Nur den explodierenden Heizkessel.«
    »Hast du gesehen, wie sich behinderte Kinder aus Fenstern stürzten, hinter denen Flammen loderten?«
    Ich versuchte es mit Schweigen und meinem eigenen Lächeln.
    »Sag mal, sind deine Albträume immer so dünn gestrickt, Oddie?«
    »Immer nicht, Ma’am.«
    »Ab und zu träume ich von Frankenstein, weil ich als kleines Mädchen mal den Film gesehen habe. In meinem Traum kommt eine uralte Windmühle mit zerfetzten, fauligen Flügeln vor, die sich quietschend im Sturm drehen. Tosender Regen, Blitze, die den Himmel spalten, hüpfende Schatten, Treppen aus kaltem Stein, in Bücherschränken verborgene Türen, von Kerzen erleuchtete Geheimgänge, bizarre Maschinen mit vergoldeten Gyroskopen, knisternde Lichtbogen, ein wahnsinniger Buckliger
mit Laternenaugen, und direkt hinter meinem Rücken sind immer das tapsende Monster und ein Wissenschaftler im weißen Kittel, der seinen abgetrennten Kopf unter dem Arm trägt.«
    Als sie fertig war, lächelte sie mich wieder an.
    »Nur ein explodierender Heizkessel«, sagte ich.
    »Gott hat viele Gründe, dich zu lieben, Oddie, aber auf jeden Fall liebt er dich, weil du ein derart unerfahrener und ungeschickter Lügner bist.«
    »Ach, ich hab schon allerhand Leuten einen Bären aufgebunden«, versicherte ich ihr.
    »Die Behauptung, du hättest jemandem einen Bären aufgebunden, ist der größte Bär, den du jemals gestemmt hast.«
    »In der Nonnenschule haben Sie bestimmt den Vorsitz des Debattierklubs geführt.«
    »Gestehe, junger Mann! Du hast nicht von einem explodierenden Heizkessel geträumt. Dir macht irgendetwas anderes Sorgen.«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Du hast nach den schlafenden Kindern geschaut.«
    Sie wusste, dass ich die auf Erden verweilenden Toten sah. Allerdings hatte ich weder ihr noch Abt Bernard etwas von den Bodachs erzählt.
    Weil diese blutrünstigen Geister von Geschehnissen mit vielen Todesopfern angezogen wurden, hatte ich nicht erwartet, ihnen an einem derart abgeschiedenen Ort zu begegnen. Ihre natürlichen Jagdgründe waren Städte und Metropolen.
    Außerdem neigen selbst Leute, die mir glauben, dass ich die zögerlichen Toten sehe, zu Skepsis, wenn ich sie verfrüht damit konfrontiere, dass es finstere Dämonen gibt, die sich am Anblick von Tod und Zerstörung ergötzen.
    Ein Mensch, der einen Affen als Haustier hält, gilt wahrscheinlich
als charmanter Exzentriker. Verwandelt jemand sein Haus hingegen in einen Affenstall, in dem eine Horde schnatternder Schimpansen durch die Zimmer tobt, dann muss er
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