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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht
Autoren: Anthony Horowitz
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wurde sofort zerstört. Der Wagen war nur in den Tunnel gefahren, und der Berg verschluckte jedes Geräusch. Aber was noch schlimmer war – es waren jetzt zwei, die auf sie zurasten.
     
    Ein sandiger Pfad führte durch die Kiefern und an einigen Felsen vorbei. Jamie und Scott rannten in Richtung See. Bis hinab zum Ufer war der Weg sehr uneben. Für die Touristen war eine Aussichtsplattform errichtet worden, und der Blick über den in der Sonne funkelnden See und die weit entfernte Bergkette war wirklich spektakulär. Es war keine Menschenseele zu sehen. Jamie sprang über einen Zaun und atmete auf, als sein Bruder es ihm nachmachte.
    » Scott – bist du bei mir? « , fragte er, ohne den Mund zu öffnen.
    » Ich bin bei dir. « Die Worte klangen, als hätte ein kaputtes Radio sie gesendet. Aber Jamie schöpfte trotzdem neue Hoffnung. Er hatte keine Ahnung, warum er in diese Richtung lief. Die Tatsache, dass sie wieder an diesem Ort gelandet waren, konnte nur ein verrückter Zufall sein. Aber zugleich wusste er, dass es so vorherbestimmt war. Sie taten das Richtige.
    »Hier spricht die Polizei! Sofort stehen bleiben, oder wir eröffnen das Feuer!«
    Die Worte hallten hinter ihnen her, verstärkt durch ein Megafon. Fast hätte Jamie gelacht. Glaubten die Polizisten wirklich, dass sie jetzt aufgeben würden, nachdem sie so weit gekommen waren? Aber eine Sekunde später war sein Lächeln wie weggewischt. Ein Schuss war gefallen, und die Kugel prallte nur wenige Meter von ihnen entfernt von einem Felsen ab. Ein Warnschuss? Oder waren die Polizisten wirklich bereit, ihnen in den Rücken zu schießen?
    Er hatte nicht vor, es herauszufinden. Es ging jetzt bergab, und zwar so steil, dass sie Hände und Füße brauchten, um heil hinunterzukommen. Die Straße lag hoch über ihnen, und wenn die Polizisten nicht ebenfalls über den Zaun stiegen, waren sie außer Sichtweite. Sie rutschten die letzten paar Meter und hielten sich an den Ästen fest, um nicht zu fallen. Endlich landeten sie am Ufer des Sees. Vor ihnen breitete sich das schier unendliche Wasser aus. Trotz des schwierigen Abstiegs verspürte Jamie eine merkwürdige Gelassenheit. Es war, als wäre er nach Hause gekommen. Er wusste nicht genau, ob er wirklich das vorfinden würde, was er erwartete, aber er war trotzdem froh, hier zu sein.
    Er sah sich um – und da war es, genau wie Derry gesagt hatte. Ein Pfad aus schneeweißem Sand führte in eine Öffnung im Felsen. Die Höhle war sehr dunkel und verlief unter der Straße hindurch. Direkt über dem Eingang war etwas in den Felsen eingekratzt, so unauffällig, dass man es nur sah, wenn man danach suchte. Es war ein fünfzackiger Stern. Jeder andere hätte angenommen, dass er erst kürzlich dort hinterlassen worden war, aber Jamie wusste es besser. Er war vor langer, langer Zeit in den Fels gemeißelt worden.
    Hoch über ihm brüllte jemand etwas. Einer der Polizisten. Jamie holte tief Luft. Es war endlich vorbei. Es war Zeit für sie, zu gehen.
    Er ergriff die Hand seines Bruders. Zusammen folgten sie dem Pfad und betraten die Höhle.
     
    Die Polizei fand sie natürlich nie. Die Beamten stiegen hinab und suchten das ganze Ufer ab. Sie sahen sogar in der Höhle nach, obwohl sie die Washoe-Traditionen kannten und wussten, dass sie dazu kein Recht hatten. Bei Sonnenuntergang war mehr als ein Dutzend Polizisten im Einsatz. Aber wenn Scott und Jamie Tyler wirklich da gewesen waren, waren sie jetzt verschwunden. Waren sie im See ertrunken? Das schien unmöglich. Das hätte man von der Straße aus gesehen, und außerdem waren ihre Leichen nicht gefunden worden.
    Aus Alicia bekamen die Polizisten nichts heraus. Sie und Danny bestritten sogar, dass die beiden Jungen in ihrem Wagen gesessen hatten. Alicia verlangte, mit Senator Trelawny zu sprechen, und als die Beamten seinen Namen hörten, behandelten sie sie sofort mit mehr Respekt. Ohne Beweise konnten sie sie nicht verhaften. Die einzigen Vergehen, die sie ihr vorwerfen konnten, waren Geschwindigkeitsüberschreitung und ihre Flucht vor der Polizei.
    Während die Polizisten die Suche abbrachen und sich überlegten, was sie noch tun konnten, hatte sich viele Tausend Kilometer entfernt eine Tür in einer Kirche geöffnet, und zwei Jungen hatten eine fremde Welt betreten. Ein Priester, der sie herauskommen sah, kratzte sich verwirrt den Kopf. Diese Tür war schon verschlossen, solange er sich erinnern konnte, und er war sicher, dass auf der anderen Seite nur ein leerer
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