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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht
Autoren: Anthony Horowitz
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war.
    Der Polizist begriff nicht, was hier vorging. Aber eines war sicher. Der Junge war ein gefährlicher Krimineller.
    Er griff nach seinem Funkgerät.

IN DER HÖHLE
    Ihnen blieb keine Zeit zum Nachdenken. Fast alle Leute hatten die Tribüne mittlerweile verlassen, hektisch darum bemüht, nicht länger in der Nähe der Leiche zu bleiben. Polizisten und Sanitäter waren inzwischen eingetroffen. Sie interessierten sich nicht für Scott, der immer noch dasaß und vor sich hin starrte. Auf seinem weißen Hemd waren Blutspritzer.
    »Gehört er zu ihr?«, fragte einer der Sanitäter beim Anblick der Toten.
    »Nein«, sagte Nathalie. »Er gehört zu mir.« Sie sah Jamie an. »Wir müssen ihn von hier wegbringen.«
    »Scott!« Jamie hockte sich neben seinen Bruder. Scott hatte ihn bisher abgeblockt, aber vielleicht war es etwas anderes, wenn er ihn sah und seine Stimme hörte. »Ich bin’s, Jamie. Jetzt wird alles gut. Nightrise ist erledigt. Silent Creek ist geschlossen worden. Ich habe dich überall gesucht, aber jetzt bin ich da. Alles wird wieder gut.«
    Etwas flackerte kurz in Scotts Gesicht auf – vielleicht ein Ansatz des Erkennens? Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber es kam kein Ton heraus. Jamie sah Nathalie Johnson Hilfe suchend an. Er hatte Tränen in den Augen. »Was haben sie mit ihm gemacht?«, schluchzte er. »Was haben sie ihm angetan?«
    Gemeinsam halfen sie Scott auf die Beine und führten ihn weg. Er bewegte sich wie ein Schlafwandler, ohne Widerstand und offenbar ohne zu merken, wohin er ging. Alicia wartete vor der Tribüne mit Daniel. Sie hatte nicht näher kommen können, weil sie ihrem elfjährigen Sohn den Anblick der toten Frau nicht zumuten wollte.
    »Jamie…! Scott…« Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. »Sind Sie Alicia McGuire?«, fragte Nathalie.
    »Ja.«
    »Es ist alles in Ordnung. Ich bin eine Freundin. John hat mir von Ihnen erzählt.«
    »Wer sind Sie?«, fragte Alicia.
    Nathalie sah sich um. Die Straßen leerten sich rasend schnell. Leute flüchteten in alle Richtungen. Schon bald würden nur noch die Polizisten übrig sein. »Wir können hier nicht reden«, erwiderte sie. »Wir müssen die Jungen auf den Weg bringen.«
    »Auf den Weg wohin?«
    »Alicia…!« Es war zu spät. Jamie zeigte auf den Polizisten mit dem Schnurrbart, der zielstrebig auf sie zukam. Er öffnete sein Halfter und legte die Hand auf die Pistole.
    »Tyler.« Schon das eine Wort war eine Anschuldigung. Der Polizist stand mit gespreizten Beinen da, wie ein Cowboy in einem Film. »Jamie Tyler. Richtig?«
    »Nein.« Jamie sah ihm direkt in die Augen. »Jamie Tyler war hier, aber er ist schon weg. Sie haben ihn verpasst. Und jetzt müssen Sie all diesen Menschen helfen. An uns sind Sie nicht interessiert.«
    Der Polizist runzelte die Stirn, als hätte er nicht richtig verstanden, was Jamie in sein Gehirn gepflanzt hatte. Dann entspannte er sich. »Du hast recht. Ich muss diesen Menschen helfen…« Er drehte sich um und ging weg.
    Nathalie Johnson war verblüfft. Sie konnte nicht fassen, was sie gerade gesehen hatte. Alicia dagegen wusste es. Jamie hatte dasselbe getan wie in dem Haus in Sparks, in dem sie der Polizist überrascht hatte. Trotzdem schauderte sie unwillkürlich. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie ein Vierzehnjähriger solche Kräfte haben konnte.
    Sie sah Nathalie an. »Wir gehen nirgendwohin, solange ich nicht weiß, wer Sie sind.«
    »Ich bin Nathalie Johnson.«
    Der Name sagte ihr etwas. Alicia kannte ihn aus den Nachrichten. »Computer?«, fragte sie. »Sind Sie die Nathalie Johnson?«
    »Ja.«
    »Sie unterstützen den Senator…«
    »Ja. Allerdings bin ich nicht deswegen hier.« Nathalie verstummte. Der Polizist mit dem Schnurrbart war zwar weg, doch es würden sicher noch andere kommen. Sie hatten Glück, dass er beschlossen hatte, die Verhaftung allein vorzunehmen, aber er hatte seine Kollegen sicher vorher über Funk informiert. »Mein Auto steht ganz in der Nähe«, sagte sie. »Kommen Sie wenigstens bis dorthin mit? Ich erzähle Ihnen alles, wenn wir auf dem Weg sind.«
    Alicia nickte. Ihr eigenes Auto konnte sie sowieso nicht nehmen. Sicher wurde es von Polizisten bewacht, die auf ihre Rückkehr warteten. Außerdem hatten sie zweifellos das Kennzeichen überprüft und verbreitet.
    Sie eilten um die Tribüne in Richtung Statue. Erst Nathalie, dann Jamie und Alicia, die Scott zwischen sich mitführten. Zum Schluss kam Daniel. Im Vorbeigehen warf Jamie einen letzten Blick auf
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