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Schattenlord 6 - Der gläserne Turm

Schattenlord 6 - Der gläserne Turm

Titel: Schattenlord 6 - Der gläserne Turm
Autoren: Claudia Kern
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Nüssen schmeckende Beeren und seltsam süßes Flusswasser. Sie hatten genügend Nahrung für zehn Tage dabei, das Wasser reichte jedoch höchstens für fünf. Mehr hatten sie nicht tragen können.
    Laura gähnte. Nidi hockte neben ihr und aß eine Beere. In seinen winzigen Händen wirkte sie so groß wie ein Apfel.
    »Schlecht geschlafen?«, fragte er.
    »Unruhig.« Sie stand auf. Die Bilder ihrer seltsamen, wirren Träume verblassten nur langsam in ihrem Geist. Sie und Milt waren in einem Hochhaus. Etwas näherte sich ihnen, sie wusste nicht, was, war sich jedoch sicher, dass etwas Schreckliches geschehen würde, wenn es ihr nicht gelang, Türen und Fenster zu versperren. Milt, der die Uniform eines Pizzalieferanten trug, stand am Fenster und sagte immer wieder, sie hätten noch Zeit, es wäre weit entfernt, aber Laura wusste, dass das nicht stimmte.
    Es war bereits im Haus.
    Sie schüttelte den Kopf, um die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung des Traums zu vertreiben. Dann faltete sie die Decke, auf der sie geschlafen hatte, zusammen. Die anderen beiden hatten ihre Sachen bereits packt. Sie standen nebeneinander auf dem Weg, den Blick ins Tal gerichtet. Mit ihren Rucksäcken und der bunt gemischten Kleidung, die sie trugen, wirkten sie wie Abenteurer aus einem alten Film, wie Freunde.
    Ich hoffe, das werden sie auch noch, dachte Laura.
    »Der Weg führt genau auf die Windhose zu«, sagte Milt, als sie zu ihm und Finn aufschloss.
    Nidi kletterte an seinem Bein empor und setzte sich auf den Rucksack, hielt sich an dem Ledergriff fest, als wolle er auf einem Bullen reiten. »Dann sollten wir besser nicht auf dem Weg bleiben.«
    »Wo du recht hast ...« Finn räusperte sich und ging los, Milt und Laura folgten ihm. Der Weg war schmal und führte steil an Felsen, die das Tal wie eine Mauer umgaben, nach unten. Abrupt endete der sandige Untergrund, und Laura spürte harten Fels unter ihren Stiefelsohlen. Sie bückte sich und strich mit einer Hand über den Stein. Sie fühlte keine Unebenheit, nur eine marmorartige kühle Glätte.
    »Der Wind muss schon seit Jahrhunderten hier wüten«, sagte sie über das Heulen des Sturms hinweg. »Er hat das ganze Tal abgeschliffen.«
    Sie sah zur Mitte des grauen Trichters. Die Windhose drehte sich rasend schnell. Durch den Sand und Dreck, den sie emporschleuderte, ließ sich nicht erkennen, wie tief sie sich bereits in den Boden gebohrt hatte.
    »Worin genau besteht die Prüfung?«, fragte Finn. »Reicht es, wenn wir das Tal durchqueren, oder müssen wir hier irgendeine Aufgabe lösen?«
    Nidi neigte den Kopf. »Wir werden es herausfinden.«
    »Wie?« Milt breitete die Arme aus. »Hier ist nichts und niemand.«
    »Der Wind ist hier«, sagte Nidi.
    »Und er ist aus irgendeinem Grund verloren.«
    »So ist es.«
    Milt hob die Augenbrauen, hakte aber nicht weiter nach.
    »Was glaubt ihr, wie groß das Tal ist?«, fragte Laura, während sie weitergingen. Ohne Vegetation oder einen anderen Anhaltspunkt fiel es ihr schwer, die Länge des Weges zu schätzen.
    »Acht, neun Kilometer«, sagte Finn.
    »Eher zwanzig«, sagte Milt.
    »Einen Tagesmarsch«, sagte Nidi.
    Laura lächelte unwillkürlich. »Ihr habt keine Ahnung, oder?«
    Dieses Mal antworteten alle drei gleichzeitig. »Nein.«
    Sie lachten. Das Geräusch brach sich an den kahlen Felsen und hallte durch das Tal. Es erschien Laura lauter als das Heulen und Rauschen des Windes. Auch die anderen wirkten auf einmal nervös und sahen sich um.
    »Es ist nichts und niemand hier außer dem Wind«, sagte Finn. »Wir können ganz locker bleiben.« Er sprach leiser als zuvor. Laura hatte den Eindruck, dass er sich selbst ebenso beruhigen wollte wie sie und Milt.
    Nur Nidi schien die Situation nicht zu verstören. Ungeduldig zog er am Henkel des Rucksacks. »Wir werden dieses Tal nicht durch Herumstehen hinter uns bringen.«
    Milt öffnete sichtlich genervt den Mund, aber Laura ergriff seine Hand und brachte ihn so zum Schweigen. »Komm, lassen wir uns überraschen, wie lang der Weg wirklich ist.«
    Dass sie ebenfalls leiser sprach, fiel ihr erst auf, als sie den Satz beendet hatte. Milt ließ sich von ihr ablenken. Er drückte ihre Hand und nickte, dann gingen sie gemeinsam weiter. Sie sah, wie Finn die Augen verdrehte, aber wenn er etwas sagte, dann ging es im Heulen des Windes unter.
    Der Tag war sonnig wie fast alle Tage, seit sie in Innistìr angekommen waren, doch Laura hatte den Eindruck, dass weder das Licht noch die Wärme der Sonne das
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