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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd
Autoren: Ernst Vlcek
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drängte Mythor und beschleunigte den Schritt.
    »Sei vorsichtig«, ermahnte Sadagar. »Es kann eine Falle sein. Er wird dich am Schimmer deiner Augen erkennen.«
    Mythor zuckte zusammen. Er erinnerte sich daran, dass auch Harmod ein Leuchten in seinen Augen gesehen hatte, als er bereits von dem Deddeth besessen gewesen war. War dies nicht ein untrügliches Zeichen dafür, dass auch Sadagar…
    »Wo siehst du ein Leuchten in meinen Augen?« erkundigte sich Mythor argwöhnisch und blickte Sadagar an.
    Der Steinmann kicherte und erwiderte seinen Blick – es war wiederum so dunkel, dass Mythor nicht viel von seinem Gesicht erkennen konnte, aber da war nicht die Spur eines Schattens.
    »Ich?« wunderte sich Sadagar. »Ich doch nicht. Aber dieser Rafher, wenn er besessen ist.«
    »Jetzt ist es aber genug, Sadagar«, wies ihn Mythor zurecht, der doch einigermaßen erleichtert war über Sadagars Erklärung. »No-Ango trägt die Gesichtsbemalung zum Schutz gegen Dämonen. Er ist ungefährdet.«
    »Sagt er!« meinte Sadagar hintergründig. »Aber kann es nicht genauso gut umgekehrt sein, nämlich, dass diese Bemalung Schatten anlockt? Warum glaubst du einem dahergelaufenen Wilden mehr als einem alten Freund?«
    »No-Ango hat uns am Wadi En-Ogh schließlich vor dem Deddeth gerettet«, erklärte Mythor. Er blickte nach vorne und sah eine schattenhafte Gestalt zwischen den Felsen warten. Als sie näher kamen, setzte sie sich wieder in Bewegung.
    »Das hat No-Ango so dargestellt«, hielt Sadagar entgegen. »Aber es kann sich auch so verhalten haben, dass er mit seiner lehmigen Gesichtsmaske den Deddeth angelockt hat. Es passt doch alles zusammen, Mythor! Warum willst du die Wahrheit nicht erkennen?«
    Mythor schwieg dazu. Sadagar mochte recht haben, dass er sich der Wahrheit verschloss. Das traf aber in noch stärkerem Maß auf den Steinmann zu. Der Gedanke, dass der Gefährte aus vielen Kämpfen nicht mehr er selbst sein mochte, war einfach zu schrecklich.
    »Hör auf mich, Mythor«, sagte Sadagar eindringlich. »Glaubst du wirklich, der Rafher würde uns zu seinem Volk führen, das sich seit so langer Zeit in den Bergen versteckt und keine Fremden zu sich lässt… ja, diese vermutlich tötet, wenn sie eine Spur finden? Gebrauche deinen Verstand, dann wirst du dahinterkommen, dass uns No-Ango einfach nicht nach Lo-Nunga führen kann. Es ist eine Verbotene Stadt!«
    »Das klingt einleuchtend, aber unter den gegebenen Umständen…«, begann Mythor, wurde aber von Sadagar unterbrochen.
    »Die sogenannten Umstände beruhen alle auf No-Angos Wort. Aber ich durchschaue seine Absicht. Er will uns nur in die Berge locken, wo er sich auskennt. Dort wird er uns entweder töten oder uns verlassen, was auf dasselbe hinauskommt. Das heißt, mich wird er töten. Dir aber wird er ein gespaltenes Gesicht verpassen, damit der Deddeth…«
    »Hör auf!« herrschte Mythor den Freund an. »Wie soll ich einen vernünftigen Gedanken fassen können, wenn du mich dauernd beschwatzt?«
    »Gut, ich halte den Mund«, sagte Sadagar gekränkt. »Aber eines muss ich noch loswerden: Ich habe eine Idee, wie man den Rafher auf die Probe stellen könnte. Du weißt, dass ich beim Sterndeuter Thonensen einige bescheidene magische Praktiken gelernt habe. Dazu gehört auch eine Beschwörungsformel, mit der man einen Dämon zwingen kann, sich zu erkennen zu geben.«
    »Und die willst du bei No-Ango anwenden?« fragte Mythor zweifelnd.
    »Mit deiner Zustimmung und Hilfe«, antwortete Sadagar. »Aber es sind einige Vorbereitungen notwendig. Darum schlage ich vor, dass wir eine kleine Rast machen. Ich spüre meine alten Glieder ohnehin nicht mehr. Einverstanden?«
    Mythor stimmte zu.
    *
    No-Ango hatte eine Felsplattform mit karger Grasnarbe als Lagerplatz erwählt. Der neue Tag graute bereits, und es wurde rasch hell, denn die Wolken verflüchtigten sich allmählich und gaben einen strahlend blauen Himmel frei. Es war bereits so warm, dass sich Mythors des Burnusses entledigte.
    Rings um sie waren nur Berge und zerklüftete Schluchten, so weit das Auge reichte. Nur selten zeigte sich ein Flecken Grün zwischen dem schroffen Fels, der von rötlicher bis violetter Farbe war. Nirgendwo eine Spur von Leben. Und doch gab es irgendwo in einer versteckten Schlucht ein Volk, das sich von der übrigen Welt abgesondert hatte.
    Was waren das für Menschen? No-Ango war nicht der Maßstab für die Rafher, denn er verbrachte seine meiste Zeit in dem fruchtbaren Umland und war von
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