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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz
Autoren: David Farland
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vielleicht hat sie bloß Angst, mit mir, dem Erdkönig, zu sprechen, überlegte Gaborn. »Verzeiht, Sire«, sagte sie mit viel zu schriller Stimme. »Ich hoffe, ich störe Euch nicht – ich weiß, es ist noch früh am Tage. Wahrscheinlich erinnert Ihr Euch nicht mehr an mich…«
    Gaborn stieg ab, um nicht zu hoch über ihr zu sitzen, und versuchte, ihr die Befangenheit zu nehmen. Mit sanfter Stimme erwiderte er: »Du störst mich nicht. Du hast von Longmot einen weiten Weg zu Fuß zurückgelegt. Ich weiß noch genau, wie du mir geholfen hast. Etwas sehr Dringendes muß dich hergetrieben haben, ich kann es kaum erwarten, mir deine Bitte anzuhören.«
    Sie nickte verlegen. »Seht Ihr, ich dachte…«
    »Nur weiter«, forderte Gaborn sie auf, während er seinem Days auf dem Maultier einen Blick zuwarf.
    »Ich war nicht immer bloß eine Scheuermagd bei Herzog Groverman, müßt Ihr wissen«, erzählte sie. »Mein Vater hat früher die Ställe für König Sylvarrestas Soldaten ausgemistet, und ich habe in der Burg gewohnt, bevor ich Schande über mich brachte und mein Vater mich in den Süden schickte.« Sie warf einen Blick auf ihr Kind. Ein Bastard.
    »Ja?« sagte Gaborn.
    »Die Sache ist die, letzte Woche bin ich an Eurer Seite geritten, und ich weiß eins: Wenn Ihr der Erdkönig seid, dann habt Ihr bestimmt auch alle Macht von Erden Geboren. Denn das erst macht Euch zum Erdkönig.«
    »Wo hast du dies aufgeschnappt?« wollte Gaborn wissen, dessen Ton seine Besorgnis nicht verbergen konnte. Plötzlich fürchtete er, sie könnte etwas Unmögliches von ihm verlangen. Erden Geborens Taten waren der Stoff von Legenden.
    »Von Binnesman«, antwortete Molly. »Ich habe ihm beim Trocknen seiner Kräuter geholfen, und er hat mir dafür Geschichten erzählt. Wenn Ihr der Erdkönig seid, dann stehen schlechte Zeiten bevor, und die Erde hat Euch die Macht gegeben, zu Erwählen – die Ritter zu Erwählen, die an Eurer Seite kämpfen werden, und zu Erwählen, wer unter Eurem Schutz lebt und wer nicht. Erden Geboren wußte, wann sein Volk in Gefahr war, und er hat die Menschen über ihre Herzen und ihren Verstand gewarnt. Also solltet Ihr das auch können.«
    Gaborn glaubte zu wissen, was sie wollte. Sie wollte überleben. Er sollte sie Erwählen, jetzt sofort. Gaborn betrachtete sie eine ganze Weile lang und sah mehr als ihr rundliches Gesicht und den hübschen Körper unter ihren verdreckten Kleidern, mehr als ihr langes Haar und die tiefen Sorgenfalten um ihre blauen Augen. Er bediente sich seines Erdblickes und schaute in die Tiefen ihrer Seele.
    Dort fand er die Zuneigung, die sie für Burg Sylvarresta empfand, ihre Unschuld, die sie dort verloren hatte, und die Liebe für einen Mann namens Verrin, einen Stallmeister, der an der Verletzung durch ein Pferd gestorben war. Er sah ihre Verzweiflung darüber, daß sie sich auf Burg Groverman wiederfand, wo sie niedere Dienste verrichten mußte. Große Ansprüche stellte sie nicht an das Leben. Sie wollte nur nach Hause, um ihrer Mutter das Kind zu zeigen, sie wollte an den Ort zurück, wo sie Liebe und Wärme erfahren hatte. Er konnte kein Arg in ihr erkennen, keine Grausamkeit. Darüber hinaus war sie stolz auf ihren Sohn, den sie über alles liebte.
    Ihr ganzes Wesen konnte der Erdblick Gaborn nicht
    offenbaren. Wenn er viele Stunden lang in ihr Herz blickte, würde er sie vermutlich besser kennen als sie sich selbst. Doch die Zeit war knapp, und in den wenigen Sekunden entdeckte er genug.
    Kurz darauf entspannte sich Gaborn wieder. Er hob die linke Hand. »Molly Drinkham«, begann er leise seinen Bann zu sprechen, »ich Erwähle dich. Ich Erwähle dich, um dich in den bevorstehenden finsteren Zeiten zu beschützen. Solltest du meine Stimme je in deinem Herzen oder Verstand hören, so beachte sie. Ich werde dir zur Hilfe eilen oder dich in Sicherheit bringen, so gut ich kann.«
    Es war vollbracht. Sofort verspürte Gaborn die Wirksamkeit des Bannes, die Bindung, das mittlerweile vertraute Ziehen in seinem Unterleib, das ihn ihre Gegenwart spüren ließ und das ihn warnen würde, sobald sie in Gefahr geriet.
    Molly riß die Augen auf, als spüre sie es ebenfalls, und dann wurde sie vor Verlegenheit rot. Sie fiel auf ein Knie.
    »Nein, Euer Hoheit, Ihr mißversteht mich«, sagte sie. Sie hielt das Kind in ihren Armen in die Höhe. Dem Kleinen glitt das Fäustchen aus dem Mund, doch er schlief halb, und es störte ihn nicht. »Ich möchte, daß Ihr ihn Erwählt, daß Ihr ihn eines
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