Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz
Autoren: David Farland
Vom Netzwerk:
Ihr seid im Wachsen begriffen, Gaborn. Eure Macht nimmt zu.«
    Gaborn musterte Binnesman. Die Haut des Zauberers wies eine eigenartige, leicht rötliche Färbung auf, die fast der seines ausgebeulten Gewandes entsprach. Er roch nach den Kräutern, die er in seinen übergroßen Taschen aufbewahrte – nach Lindenblüten, Minze, Borretsch, Zaubererveilchen, Basilikum und hundert anderen Gewürzen. Er wirkte wie ein vergnügter alter Mann, Gaborn jedoch erkannte die Weisheit in seinem Gesicht.
    »Gegen Abend werden wir mehr wissen«, versicherte
    Binnesman ihm. Gaborn machte sich Sorgen. Vermutlich mußte er einen Kriegsrat einberufen, doch wagte er dies nicht, bevor er mehr über die Bedrohung erfahren hatte, vor der seine Erdkräfte ihn warnten.
    Die drei Reiter hielten die Straße hinunter auf einen tiefen Einschnitt zwischen zwei Hügeln zu, der vergangene Woche abgeflammt worden war.
    Dort, am Fuß des Hügels, entdeckte Gaborn ein weibliches Wesen, das er für eine alte Frau hielt, die mit einer Decke über dem Kopf am Straßenrand kauerte.
    Während die Pferde die Straße hinunterstampften, hob die Frau den Blick, und Gaborn erkannte, daß sie alles andere als alt war. Im Gegenteil handelte es sich um ein junges Mädchen, und zwar eines, das er schon einmal gesehen hatte.
    Eine Woche zuvor hatte er eine ›Armee‹ von Burg
    Groverman nach Longmot geführt. Diese hatte aus einhunderttausend Rindern bestanden, getrieben von Bauern und Bäuerinnen, von Kindern und ein paar älteren Soldaten. Der Staub, den die Herde beim Durchqueren der Ebene aufwirbelte, hatte ausgereicht, um den Wolflord Raj Ahten zu täuschen und aus seiner Angriffsstellung vor Longmot zu locken.
    Hätte Raj Ahten diese List durchschaut, dann hätte der Wolflord, dessen war sich Gaborn sicher, jede Frau und jedes Kind aus seinem Gefolge aus purer Gehässigkeit niedergemetzelt. Das Mädchen am Fuß des Hügels war mit der Armee geritten. Er erinnerte sich gut an sie. In einer Hand hatte sie ein schweres Banner gehalten und in der anderen einen Säugling.
    Sie hatte mutig und selbstlos gehandelt. Über die
    Unterstützung von Menschen wie ihr hatte er sich besonders gefreut. Und doch war Gaborn überrascht, sie hier
    vorzufinden – eine einfache Bäuerin, die wahrscheinlich kein Pferd zur Verfügung hatte – vor Burg Sylvarresta, über zweihundert Meilen nördlich von Longmot, und das nur eine Woche nach der Schlacht.
    »Oh, da seid ihr ja«, begrüßte ihn das Mädchen, und senkte den Kopf, als wollte sie sich verbeugen.
    Gaborn erkannte, daß sie hier am Straßenrand darauf gewartet hatte, daß er von der Jagd zurückkehrte. Drei Tage lang war er von Burg Sylvarresta fort gewesen. Er fragte sich, wie lange sie bereits Wurzeln geschlagen hatte.
    Umständlich erhob sie sich, und Gaborn bemerkte, daß ihre Kleider vom Staub der Straße schmutzig waren. Sie war unverkennbar zu Fuß hierhergekommen. In der rechten Hand wiegte sie ihr Kind. Im Aufstehen schob sie ihre Hand unter den Schal, um ihre Brustwarze aus dem Mund des Säuglings zu befreien und sich züchtig zu bedecken.
    So mancher Lord wäre nach der Unterstützung in einer siegreichen Schlacht gekommen und hätte um einen Gefallen gebeten. Bei einem Bauern hatte Gaborn das selten beobachtet.
    Trotzdem wollte dieses Mädchen etwas von ihm, und zwar dringend.
    Lächelnd fragte Binnesman: »Molly? Molly Drinkham? Bist du das?«
    Das Mädchen lächelte schüchtern, derweil der Zauberer von seinem Pferd abstieg und zu ihr trat. »Ja, ich bin’s.«
    »Dann laß mich mal dein Kind anschauen, Kind.«
    Binnesman nahm es ihr aus den Armen und hielt es in die Höhe. Der Säugling, ein dunkelhaariges Etwas, der kaum älter als zwei Monate sein konnte, hatte die Fäustchen in den Mund gesteckt und nuckelte mit geschlossenen Augen eifrig daran.
    Der Zauberer strahlte vor Glückseligkeit. »Ein Junge?« fragte er. Molly nickte. »Ja, und er ist seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten.« Binnesman schnalzte mit der Zunge. »So ein prächtiges Kerlchen. Verrin wäre stolz auf ihn gewesen.
    Aber was bringt dich hierher?«
    »Ich bin gekommen, um den Erdkönig zu sehen«, antwortete Molly.
    »Tja, er steht vor dir«, sagte Binnesman. Er wandte sich Gaborn zu und stellte Molly vor. »Eure Hoheit, Molly Drinkham, eine ehemalige Bewohnerin von Burg Sylvarresta.«
    Plötzlich erstarrte Molly, das Gesicht blaß vor Schreck, als könnte sie die Vorstellung nicht ertragen, mit einem König zu sprechen. Oder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher