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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz
Autoren: David Farland
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sondern auch Gaborn und Binnesman.
    Trotzdem konnte sich Gaborn bereits ausmalen, wie die Komödianten und Puppenspieler sich über ihn lustig machten, wenn er zum Großen Fest nur einen Hasen mitbrachte.
    Er wappnete sich für den Spott der Komödianten, rief dem Schlachtroß ein leises ›bleib stehen‹ zu und schwang sich behende aus dem Sattel. Das Tier war ein Kraftpferd, sein prächtiges Jagdroß, dem man entlang des Halses Runen der Geisteskraft eingebrannt hatte. Vollkommen bewegungslos verharrte es und blickte Gaborn wissend an, derweil er das untere Ende seines Bogens auf die Erde stellte, ein Bein zwischen Holz und Sehne klemmte, den Bogen anschließend krümmte und die Sehne oben fest in ihre Kerbe spannte.
    Nachdem der Bogen bespannt war, nahm er seinen letzten Pfeil, begutachtete die grauen Gänsefedern und legte ihn ein.
    Geduckt drückte er sich an die mit Gestrüpp bewachsene Seite der Straße und schlich voran. Solange er sich im Schatten hielt, würden sie ihn wahrscheinlich nicht bemerken. Solange er kein Geräusch verursachte, würden sie ihn vermutlich nicht hören. Solange ihm der Wind ins Gesicht wehte, konnten sie ihn nicht wittern.
    Gaborn warf einen Blick nach hinten und sah, daß sein Days und Binnesman auf ihren Pferden sitzen geblieben waren.
    Er pirschte die verschlammte Straße entlang.
    Dabei fühlte er sich nervös, ja, nervöser, als sich durch das Jagdfieber erklären ließe. Eine verschwommene Ahnung befiel ihn. Zu den neuentdeckten Kräften, die die Erde Gaborn gewährt hatte, gehörte auch das Gespür für die Gefahr rings um die Menschen, die er erwählt hatte.
    Eine Woche zuvor hatte er gefühlt, wie sich der Tod seinem Vater annäherte. Gaborn hatte nichts dagegen tun können.
    Andererseits hatte ihn erst gestern Nacht dasselbe
    übermächtige Gefühl veranlaßt, einer Katastrophe
    auszuweichen, denn die Greifer hatten einen Hinterhalt in der Unterwelt gelegt.
    Jetzt spürte er Gefahr, wenn auch undeutlich und fern. Der Tod stand im Begriff, sich an ihn anzuschleichen, so wie Gaborn sich an diese Hasen heranpirschte.
    Der einzige Schwachpunkt dieser neuentdeckten Kraft lag darin, daß er die Gefahrenquelle nicht erkennen konnte. Alles mögliche kam dafür in Frage – ein wahnsinnig gewordener Untertan, ein Eber, der im Unterholz lauerte.
    Dennoch hatte Gaborn eine Vermutung: Es handelte sich um Raj Ahten, den Wolflord aus Indhopal, der Gaborns Vater erschlagen hatte.
    Reiter auf Kraftpferden hatten Nachricht aus Mystarria gebracht, in Gaborns Heimat hätten Raj Ahtens Truppen kurz vor dem Hostenfest durch eine List drei Burgen eingenommen.
    Gaborns Großonkel, Herzog Paldane, hatte Truppen
    aufgestellt, um das Problem in den Griff zu bekommen.
    Paldane war ein alter Lord, ein Meisterstratege mit mehreren Gaben der Geisteskraft. Gaborns Vater hatte ihm unbedingt vertraut und ihn oft losgeschickt, um Verbrecher aufzuspüren oder überheblich gewordene Lords in die Schranken zu weisen. Aus diesem Grund wurde er von einigen »Jäger«, von anderen ›Bluthund‹ genannt. Paldane war in ganz Rofehavan gefürchtet. Wenn sich ein Mann mit Raj Ahten an Geisteskraft messen konnte, dann Paldane.
    Der Wolflord würde seine Truppen ganz sicher nicht nach Norden marschieren lassen. Den Dunnwald würde er nicht riskieren.
    Dennoch war Gefahr im Anzug, das hatte Gaborn im
    Gespür. Behutsam setzte er seine Füße auf den getrockneten Schlamm der Straße und bewegte sich so lautlos wie ein Geist.
    Doch als er die Straßenbiegung erreichte, waren die Hasen verschwunden. Im Gras neben der Straße hörte er ein Rascheln, aber das waren nur aufgescheuchte Mäuse, die unter dem trockenen Laub hin und her flitzten.
    Einen Augenblick lang stand er da und fragte sich, was passiert sein mochte. Ach, Erde, sprach er in Gedanken, könntest du mir nicht wenigstens einen Hirsch aus dem Wald schicken?
    Aber keine Stimme antwortete. Nie antwortete eine.
    Augenblicke später kamen Binnesman und der Days die Straße heraufgetrottet. Der Days hielt die Zügel von Gaborns schwarzbrauner Stute in der Hand.
    »Wie es scheint, sind die Hasen heute scheu«, stellte Binnesman fest. Er lächelte verstohlen, als hätte er seinen Spaß daran. Das morgendliche Licht betonte die Fältchen im Gesicht des Zauberers und hob die rostbraunen Farben seines Gewandes hervor. Eine Woche zuvor hatte Binnesman einen Teil seines Lebens geopfert, um einen Wylde herbeizurufen, ein Geschöpf, das stark an Erdkräften ist. Zuvor war
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