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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz
Autoren: Ulrike Bliefert
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hm?« Bevor sie ging, sagte sie noch »Gute Nacht« und lächelte erneut. Aber ihre Augen sahen traurig aus.
    Als eine knappe halbe Stunde später ein Pfleger mit einem smartiesbunten Medikamentencocktail erschien, schluckte Malin alles brav herunter. Kaum war der Pfleger aus der Tür, stürzte sie zur Toilette und würgte so lange, bis sie alles wieder erbrach.
    Dann ließ sie sich erschöpft auf ihr Bett fallen. Bevor sie einschlief, schaltete sie noch einmal ihren MP3-Player ein.
    Du, Dakota, flüsterte sie, irgendwann bist du vielleicht meine einzige Zeugin. Wenn ich tot bin. Oder wenn die es schaffen, mich für immer wegzusperren. Dann musst du irgendwie den Leuten klarmachen, dass ich nicht verrückt bin! Und dass ich nie verrückt war! Und dass alles wahr ist, was ich sage! Und dass ich nicht sterben will!
    Sie zögerte.
    Jedenfalls jetzt nicht, fügte sie hinzu, noch haben die mich nicht so weit.

Kapitel 2
    D rei Tage später durfte Malin zum ersten Mal raus, in den Klinikpark.
    Die frisch gepflanzten Kastanienbäume boten noch nicht allzu viel Schatten, und während die anderen Jungen und Mädchen in der brütenden Hochsommerhitze Tischtennis oder Rasenschach spielten, zog sich Malin an den einzig kühlen Platz, ganz hinten im Park, zurück. Dort wurde gerade der künftige Rosengarten angelegt. Von der üppigen Blütenpracht, dem Zierteich und den Naturstein-Bänken, die der Klinikprospekt versprach, war allerdings noch nichts zu sehen. Bisher war lediglich der Boden umgepflügt und Pflanzerde herangekarrt worden. Da sich das ganze Unterfangen noch ein Weilchen hinziehen würde, hatten sich die Arbeiter der Firma Beckers Garten- und Landschaftsbau vorübergehend häuslich eingerichtet: An der Umfriedungsmauer standen eine Sitzbank aus Brettern und Colakästen und ein Campingtisch, über dem ein ausgeblichener alter Bluna -Sonnenschirm Schatten spendete. Wenn sie nicht gerade Mittagspause machten, hatten die Arbeiter nichts dagegen, dass Malin ihre kleine Freiluftkantine mitbenutzte und sich hin und wieder den Bewässerungsschlauch auslieh, um sich abzukühlen.
    Malin genoss die Nachmittage im Freien. Die Gärtner hatten nach drei, vier Versuchen, mit ihr ins Gespräch zu kommen, kapiert, dass sie keine Lust auf Small Talk hatte, und während sie wortlos vor sich hin arbeiteten, las Malin George R. R. Martins Lied von Eis und Feuer.
    Das ideale Buch bei diesen Temperaturen, und die Fortsetzungsbände reichen für die nächsten elf Monate, hatte sie Dakota erklärt. Danach bin ich eh tot. Und wenn nicht, muss ich mir unbedingt die Fernsehserie downloaden!
    Jeden Tag, pünktlich um fünf Uhr nachmittags, verstauten die Gartenbauarbeiter die Gerätschaften in ihrem Kleinlaster und verließen das Gelände.
    Zurück blieb ein schweigsamer junger Mann mit lockigen rötlich blonden Haaren. Er war Malin gleich am ersten Tag aufgefallen, weil er keine Schutzhandschuhe trug, sondern mit bloßen Händen arbeitete. Die Rosenstöcke kratzten ihm Hände und Unterarme blutig, aber er schien das nicht einmal zu bemerken. Manchmal schuftete er sogar noch weiter, wenn die anderen längst Feierabend hatten.
    Nach einer Woche reichte es zwischen Malin und ihm zumindest zu einem Begrüßungs- und Abschieds-Kopfnicken.
    Er ist älter als die anderen hier , vertraute Malin Dakota an, zumindest sieht er aus wie Anfang zwanzig oder so. Also eigentlich zu alt für die Jugendpsychiatrie. Na ja, vielleicht macht er hier auch nur irgendein Praktikum. Komischer Typ. Meistens sehen rothaarige Männer ja irgendwie witzig aus, wie zum Beispiel der Typ aus Harry Potter. Hobbitmäßig. Oder rotzfrech, wie Prinz Harry. Der hier sieht eher aus, als stammte er aus ’ner Zeit, in der die Damen Schnürkorsetts und die Herren Schleifen statt Krawatten um den Hals trugen. Und hobbitmäßig wirkt er erst recht nicht, so lang und dünn, wie er ist.
    Ich frag mich, was der hier zu suchen hat.
    Aber so wie der drauf ist, trau ich mich nicht zu fragen. Vielleicht hält er mich dann für aufdringlich.
    Franziska Reinhardt gegenüber hatte Malin den ersten Abend nicht mehr erwähnt und für den Klinikchef stand ganz offensichtlich fest, dass die Story, mit der sein alter Studienfreund seine Adoptivtochter eingewiesen hatte, von A bis Z der Realität entsprach: Malin Kowalski war schon immer labil, litt unter
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