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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus
Autoren: Alex Reichenbach
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verbeten hätte). Glocke klingelte unten an der Tür Sturm, und zwar an sämtlichen Klingeln gleichzeitig. Außerdem zog er seine Waffe.
    Im Haus tat sich erst mal gar nichts, außer dass ein paar zusätzliche Lichter angingen und Gardinen sich bewegten. Glocke klingelte weiter. Endlich ging die Tür auf. Glocke stolperte hinein, Winter hinterher. Winter konnte gerade noch denken, dass er es bereue, keine Schutzweste anzuhaben – da kam ihnen auf der Treppe von oben ein Mann entgegen. Glocke hob im Schreck seine Waffe und schoss. Der Mann stolperte und fiel. «Scheiße», fluchte Glocke, als er den Gefallenen untersuchte, der offensichtlich schwerst verletzt war und keinerlei Waffe bei sich hatte. Winter rief einen Rettungswagen. Dann lief er hoch zur Tür im ersten Stock, die geschlossen war, klingelte und trat die Tür schließlich ein. Die Frau fand er mit schweren Halsverletzungen durch ein Messer im Bad. Ihr Exmann, der trunken vor sich hinbrummelnd daneben saß, ließ sich widerstandslos festnehmen.
    Glockes Kugel hatte einen Unbeteiligten getroffen. Einen Unbeteiligten, der schon tot war, bevor der Krankenwagen eintraf. Als die Ambulanz mit dem Toten und der Verletzten weggefahren war – den gefesselten gewalttätigen Exmann hatten sie in den Streifenwagen bugsiert –, da raunte Glocke Winter zu: «Pass auf, wir drehen’s so. Ich hab ‹Halt, stehenbleiben› gerufen, und der Typ hat nicht reagiert, sondern ist weitergegangen und hat die Hand zum Hosenbund genommen, als wenn er eine Waffe ziehen will. Hast mich verstanden?»
    Winter hatte sich zuerst gesträubt, das Geschehene falsch darzustellen. Aber dann hatte er eingesehen: Er half niemandem, wenn er die Wahrheit sagte. Der Unfall war geschehen – daran ließ sich nichts mehr ändern. Jetzt war es wichtiger, solidarisch den Kollegen zu schützen. Den Respekt vor Glocke hatte er allerdings verloren. Ebenso sein Vertrauen in dessen Erfahrung und Intuition.
     
    Fock glaubte ihm nicht.
    «Ich werde mich gerne einer Ermittlung stellen», sagte Winter. «Das ist doch lächerlich, es existieren doch Unterlagen und die Aussagen von damals, daraus muss klar hervorgehen, wer geschossen hat.»
    «Der Kollege Glocke sagt, er habe den Schuss damals auf sich genommen, weil Sie ihn darum gebeten hätten. Sie hätten Angst gehabt, dass bei ihnen als unerfahrenem Beamten genauer hingesehen und die Aussage angezweifelt wird.»
    «Entschuldigen Sie, aber ich kotze gleich», sagte Winter. «Und diesen Mist glauben Sie?»
    Fock zuckte mit den Schultern. «Es ist doch eine Tatsache, dass Sie später dem Kollegen Glocke geholfen haben, zum K  11 zu kommen. Daraus spricht für mich, dass Sie eine Dankesschuld gegenüber dem Kollegen verspürt haben.»
    Winter musste sich bemühen, nicht laut zu werden. «Ich hab dem geholfen, weil ich jahrelang mit ihm Streife gefahren bin und er mir leidtat mit seinem kaputten Knie», sagte er böse. «Aber hätt ich im Geringsten geahnt, was für ein perfider Hund der eigentlich ist, hätte ich mir das gespart. Also, Chef, ich lege hiermit Protest gegen meine Beurlaubung ein. Außer Lügenbehauptungen eines Kollegen, der seit Monaten mit Sven Kettler kungelt, liegt nichts gegen mich vor. Die Akten sprechen für mich.»
    Er wartete Focks Antwort nicht ab, rauschte im Vorzimmer an einem sorgenvoll dreinblickenden Hildchen vorbei und raus, ganz raus. Er brauchte Luft. Winter drehte zwei Runden ums Präsidium. Dann ging er wieder rein und machte sich auf die Suche nach Glocke. «Ist in der Kantine», berichtete Ziering und rief irgendwas hinterher, das Winter schon nicht mehr hörte.
    Die Kantine war an diesem Samstag ziemlich leer. Glocke saß einsam an einem kleinen Tisch mit der
Bildzeitung
neben sich. Er sah auf, noch bevor Winter heran war, und sein Gesicht wurde grau vor Angst.
    Winters erster Impuls war es gewesen, Glocke eine Ohrfeige zu verpassen, die sich gewaschen hatte. Doch im letzten Moment entschied er sich um. Keine Gewalt. Die würde Glocke am wenigsten weh tun, und er setzte sich damit selbst ins Unrecht.
    «Du bist das verachtenswerteste Geschöpf, das ich im meinem Leben je kennengelernt habe», sagte er ruhig, klar und so laut, dass es die anwesenden Kollegen mitbekommen mussten. «Und dumm bist du noch dazu. Merkst du nicht, wie der Kettler dich benutzt? Du wirst doch als Nächstes suspendiert, wegen der Falschaussage, die du dir nach deiner Version geleistet hast. Auf meine Loyalität konntest du dich verlassen all
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