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Schattengott

Schattengott

Titel: Schattengott
Autoren: Uli Paulus
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panisch durchs Haar.
    «Nein, du hast Glück, der Schotterweg ist offen», sagte Sabina. Der
Wagen rollte über die Steine und hinterliess eine Staubwolke.
    Immer wieder ratterten Roste, die Kühen das Überqueren verleiden
sollten, unter dem Fahrwerk.
    «Hätt ich bloss was Ordentliches gelernt», sagte Malfazi, nachdem es
ihn komplett durchgeschüttelt hatte.
    Sabina schaltete hoch und liess es noch einmal ordentlich holpern.
Endlich erreichten sie die Alp.
    Sabina rief ein freundliches «Grüezi» in die Hütte. Kurz darauf
kam ein Mann um die vierzig in einem rot-schwarzen Karohemd mit kurz rasierten
Haaren und breiten Schultern aus dem Stall. Er hielt einen staubigen
Akkuschrauber in einer kräftigen, schwieligen Hand.
    «Ja bitte?»
    «Wir suchen Gustav Höhli», sagte Sabina. «Sind Sie das?» Jetzt erst
fiel ihr auf, dass sie vergessen hatten, sich eine Beschreibung oder ein Bild
des Busfahrers zu besorgen.
    «Nein, das ist mein Bruder, der ist grad im Ort Zigaretten holen.
Wird bald wieder da sein.»
    Malfazi zückte seinen Dienstausweis. «Wir warten hier auf Ihren
Bruder. Bitte bleiben Sie in unserer Nähe und telefonieren Sie nicht.»
    «Ich hab zu tun. Was wollen Sie denn vom Gustav?»
    «Wir möchten ihn im Zusammenhang mit dem Verschwinden einer jungen
Frau als Zeugen vernehmen», sagte Sabina.
    Malfazi sah sie finster an. Sie hätte gegenüber dem Bruder nicht
gleich so konkret werden sollen. Die Furchen zwischen den Augen von Höhlis
Bruder vertieften sich.
    «Darf ich?», fragte Sabina und trat über die Schwelle zur Hütte.
    «Hm», brummte der Mann und nickte missmutig.
    Sabina schaute sich in der Stube und im Dachgeschoss um –
nirgends waren Anzeichen dafür zu entdecken, dass hier das Mädchen versteckt
war. Sie prüfte auch den Stall, den Lagerraum und den Arbeitsraum, in dem die
Milchkessel standen. Der säuerliche Milchgeruch, den sie aus Alphütten kannte,
war einer geruchlosen Winterkälte gewichen. Alles sah verlassen und trostlos
aus. Der Blick auf die umliegende Bergwelt dagegen war überwältigend. Von hier
aus sah man den Heinzenberg in seiner ganzen Pracht mit all den kleinen
Dörfern: Sarn, Portein, Flerden, Urmein, Tschappina. Dahinter die Gipfel des
Safientals bis tief hinein in die Surselva. Direkt gegenüber lag der
charismatische Piz Beverin, unter seinen Ausläufern die Viamala-Schlucht, links
davon der Schamserberg mit Sabinas Wohnort Donat.
    Nach einer Viertelstunde kam ein verblichener roter Lada-Jeep den
Schotterweg hochgekrochen. Ein schmalschultriger Mann in Jeans und grünen
Gummistiefeln stieg aus.
    «Gustav Höhli?», fragte Malfazi.
    «Ja, warum?», sagte der Mann mit einer Stimme, die weniger fest
klang, als er es wohl beabsichtigt hatte.
    «Claudio Malfazi und Sabina Lindemann vom Spezialdienst in Chur. Wir
haben ein paar Fragen bezüglich Katharina Jakobs.»
    «Katharina wer?»
    «Katharina Jakobs. Ein Mädchen, das am Freitag bei Ihnen im Bus sass
und seither vermisst wird. Lange braune Haare, graublaue Augen, arbeitet auf
der Bank in Thusis. Hier ist ein Bild. Sie sass doch bei Ihnen im Bus, oder?»
    «Na ja, jetzt wo Sie es sagen. Vielleicht schon. Ich weiss nicht
mehr.»
    «Kommen Sie, Herr Höhli», sagte Sabina. «Wir haben alle Busfahrer
befragen lassen, und keiner hat das Mädchen gefahren. Sie angeblich auch nicht.
Aber eine Zeugin hat das Mädchen in Ihrem Bus gesehen. Warum haben Sie uns das
verschwiegen?»
    «Ja hört das denn nie auf mit den Anschuldigungen?», schrie Höhli.
«Ich hab doch mit dem Mädchen nix zu schaffen.»
    «Und warum haben Sie dann nicht die Wahrheit gesagt?», fragte
Sabina.
    «Ich sag gar nichts mehr.» Höhli verschränkte die Arme vor der
Brust. Sein schütteres, ungepflegtes Haar stand zerzaust vom Kopf ab. Die
schlammbraunen Augen hinter der schmucklosen Brille blickten trübe.
    «Dann kommen Sie mit uns», sagte Malfazi. «Am besten, Sie packen
gleich ein paar Sachen ein, falls es länger dauert.»
    Gustav Höhli schüttelte ungläubig den Kopf.
    «Urs, sei so gut und hol meine Tasche», sagte er schliesslich. Der
Bruder verschwand in der Hütte und kam mit einer abgewetzten Ledertasche
zurück.
    «Hier ist alles drin, was du dabeihattest.»
    «Darf ich mal?», fragte Malfazi und durchstöberte die Tasche. Unter
ein paar Hemden, Unterhosen, Socken und einem braunen Kulturbeutel aus
Kunstleder kam eine Zeitschrift zum Vorschein, auf der eine nackte Frau
posierte. «Geile Fötzchen rasieren sich für dich glatt», stand
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