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Schattengott

Schattengott

Titel: Schattengott
Autoren: Uli Paulus
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und sagte kühl:
    «War wohl nicht so geil , dein Wochenende.»
    «Ach, wie man’s nimmt», wich Malfazi aus. «Bei dir?»
    «Hatte am Sonntag Besuch von einem alten Schulfreund. Er hat seine
Qualitäten nicht verloren.»
    «Aha», sagte Malfazi beiläufig, als habe er die Anspielung nicht
verstanden. Sie legte noch einmal nach, um ihn aus der Reserve zu locken.
    «Man vögelt einfach besser, wenn man sich kennt.»
    Er fixierte sie mit seinen dunklen Augen, strich sich über die Haare
und fläzte sich, die Beine im Siebzig-Grad-Winkel gespreizt, in seinen
Schreibtischstuhl. Ohne auf ihre Provokation einzugehen, vertiefte er sich in
seine Unterlagen.
    «Ich schreib mal zusammen, was wir in der Vermisstengeschichte vom
Hinterrhein wissen. Wenn wir uns schon damit befassen sollen, dann wenigstens
richtig.»
    «Nur zu», sagte Sabina und ging zum Kaffeeautomaten.
    Gegen elf Uhr meldete sich ein Angestellter der Bank in Thusis.
Das mit dem deutschen Touristen, der sich wegen seiner EC -Karte beschwert hatte,
habe sich geklärt. Er sei ein bekannter Kunde, der auf dem Heinzenberg oberhalb
von Thusis ein Ferienhaus besitze.
    «Wie heisst er?», fragte Malfazi.
    «Seilbach», sagte der Mann von der Bank.
    «Welches Haus?»
    «Haus Tägerli. Direkt beim oberen Müllhaus in Oberurmein.»
    «Gut. Danke.» Malfazi legte den Hörer auf und nahm seine Jacke vom
Sessel.
    «Kommst du mit?»
    «Jep», sagte Sabina und zog ihren dunkelroten Ledermantel an.
    Er neigte den Kopf und lächelte. «Siehst gut aus in Leder.»
    «Besser als du bestimmt», erwiderte sie und ging voran. Auf die
Anmachtour musste ihr der Kollege nicht kommen. Oder war er ihr Chef? Sie
sollten gemeinsam den Spezialdienst 1 leiten, der für Entführungen und
Kapitalverbrechen in Graubünden zuständig war. Der ranghöhere Malfazi trug die
Verantwortung, sie war seine Stellvertreterin.
    Sie fuhren durchs Rheintal nach Thusis und von dort auf den
Heinzenberg.
    Die Strasse führte über sanfte Wiesenhänge nach Urmein. Von dort
schlängelte sie sich an einem kleinen See vorbei hinauf nach Oberurmein, wo
noch ein wenig Schnee lag. Der Ort bestand aus Ferienhäusern, die Ämsli, Cardun
oder Tguma hiessen. Im oberen Teil der Ortschaft stand das Haus Tägerli.
    «Was verschafft mir die Ehre?», fragte der ältere Herr mit den
verworrenen grauen Locken, der ihnen die Tür öffnete.
    «Ihre EC -Karte,
Herr Seilbach.» Malfazi zückte seinen Dienstausweis. «Sie sind doch Herr
Seilbach?»
    «Jaja, was ist denn mit meiner EC -Karte?»
    «Nichts», sagte Sabina und stellte sich vor. «Sie haben auf der Bank
in Thusis am Freitag versucht, Geld abzuheben. Und sich bei einer
Auszubildenden am Schalter beschwert, weil es nicht funktionierte.»
    «Man wird sich ja wohl noch beschweren dürfen, wenn der Automat
nicht tut. Oder ist das mit einem Bussgeld verbunden? Ihr Schweizer nehmt es ja
gerne von den Lebenden.»
    Sabina konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Malfazi verzog
keine Miene.
    «Es kostet nur Busse, wenn sich eine Beschwerde auf beleidigende Art
und Weise gegen Beamte richtet», antwortete sie. «Die junge Frau, bei der Sie
sich beschwert haben, ist seit Freitag verschwunden. Können Sie sich an sie
erinnern?»
    «Vage», sagte Seilbach. «Aber wollen Sie nicht reinkommen, ich habe
gerade eine Kanne Tee gekocht.» Aus dem Haus roch es verlockend nach Zimt.
    «Nein danke», sagte Malfazi und übernahm wieder das Kommando. «Ist
Ihnen vielleicht irgendetwas aufgefallen an der Frau? Wirkte sie nervös?»
    «Sie stellen Fragen … Ist mir da was aufgefallen? Nein, also
ich wüsste nichts. Sie war eigentlich ganz freundlich. Jung halt, so eine junge
Hübsche.»
    «Haben Sie die Frau danach noch mal gesehen?»
    «Hm, ich war einkaufen. Und dann noch auf dem Bahnhof. Wir bekommen
Besuch nächste Woche.»
    «Ja, und?»
    «Ich wollte wissen, was eine Fahrt mit dem Bernina-Express kostet.»
    «Ist es Ihnen wohl zu teuer?», fragte Sabina. Malfazi blickte sie
streng an, ihre Augen schossen zurück. Seilbach blieben die Spannungen zwischen
den Polizisten nicht verborgen.
    «Fahren Sie fort», sagte Malfazi.
    «Bei den Bussen. Auf den Bänken am Busbahnhof. Da habe ich das
Mädchen noch mal gesehen. Glaube ich.»
    «Bei den Bussen», wiederholte Sabina und notierte sich die Bemerkung
in Gedanken. «Hatte sie etwas dabei? Einen Koffer vielleicht oder einen
Rucksack? Oder war jemand bei ihr?»
    «Nein, ich glaube nicht. Sie sass da halt. Alleine. Nein, da war
niemand dabei,
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