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Schattengeschichten

Schattengeschichten

Titel: Schattengeschichten
Autoren: Hauke Rouven
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eigenen ähnelte.

Wyxnax

    Den Mann mit der roten Mütze und dem langen, weißen Rauschebart, der fett durch Kamine plumpste, um verwöhnte Gören zu beschenken; den hasste Phil, seit er denken konnte, vielleicht schon länger. Dieses Weihnachtsfest, es kotzte ihn an.
    Warum? fragten ihn seine wenigen Freunde immer wieder, wenn das bestimmte Datum in naher Zukunft lag. Wie jedes Jahr antwortete Phil dann: „Ich hasse die Kommerzialisierung. Ich hasse das Bedürfnis des Menschen, sein Helfersyndrom an bestimmten Tagen auszuleben. Es ist pseudomoralisch und für jeden, der wahre Hilfe sucht, demütigend.“
    Meist sagte Frank, sein bester Freund, darauf: „Du bist doch nur neidisch, dass du so wenig oder überhaupt keine Geschenke kriegst. Hättest du Frau und Kinder, würdest du anders darüber denken.“
    Damit war das Thema abgehackt, jeder hatte seine eigene Wahrheit, aber Phil wusste es besser, weil er er war. Er hasste Weihnachten, weil es ein wiederkehrendes, biblisches Fest darstellte und Phil nicht an Jesus glaubte und auch nicht an Gott, schon gar nicht an den heiligen Geist. Warum also sollte er ein Fest feiern, das eigentlich nicht existierte und in der heutigen, modernen Zeit nur noch als Ausrede fungierte, damit die Reichen in der Wirtschaft reicher wurden und die Armen noch ärmer? Diese Armen, meist Arbeiter und Angestellte, sammelten vielleicht das ganze Jahr über ein wenig Geld, nur um es für ein Fest wieder zu verprassen. Und sollte Phil irgendwann einmal mit einer Frau ausgehen, dann würde er darauf achten, dass sie das Fest genauso verachtete wie er. Kein Sinn lag darin und Phil lachte, denn Humor war seine einzige Waffe gegen die Verzweiflung, die ihn beizeiten anheim fiel.
    Er lachte auf dem Weg nach unten zur Straße, in der Bahn und auch in den Geschäften. Die Leute starrten ihn an. Wundersame Blicke folgten dem Verwirrten durch sämtliche Gassen, bis er, rechtzeitig, seinen Termin beim Zahnarzt wahrnahm. Vier Tage vor jenem Fest war ihm seine Plombe heraus gefallen, und das Übel lag wie eine dunkle Decke über den Städten der Welt, das Weihnachtsübel.

    Katja, Richard und Amanda brauchten noch den vierten Mann, oder Frau, dann war es soweit. Wyxnax nannte er sich und sie wollten ihn rufen. In einer kleinen Kneipe am Ende der Stadt trafen sie sich mit einem Volontär, Max, den Katja von den Grufti-Tanznächten im Kaiserkeller kannte. Max war Barkeeper, gut aussehend, dunkel und hatte einen Hass auf alles, was christlich war.
    „Er ist der Richtige“, hatte Katja gesagt und ihre beiden Freunde nickten nur zustimmend. Sie war die Anführerin des Zirkels, sie suchte die Dämonen aus, die sie allmonatlich beschworen, sie hatte die roten Haare, sie trug die beste Kleidung und sie besaß das Geld, die Wohnung und den Beschwörungsraum. Kurz: Ohne Katja lief nichts und das wusste sie.
    „Hallo“, begrüßte Max die drei freundlich und winkte sie an den Tisch, an dem er saß. Er aß ein beachtliches Frühstück und war, das fiel Katja gleich auf, auch privat die dunkelste Sorte von Typ, die man sich vorstellen konnte. Also gab er des Nachts keine Vorstellung von einem anderen Ich. Max war so wie er war, natürlich, arrogant und freundlich.
    „Hi, das sind Richard und Amanda. Sie sind ein Paar, also versuch erst gar nichts.“
    „Ich hab schon oft genug Sex, Katja.“
    Sie reichten sich die Hände, dann setzten sie sich dazu. Nach einigen Schmatzern und ausreichendem Kaffeegenuss war Max bereit, Katjas Plan anzuhören.
    „Du willst Wyxnax beschwören, richtig?“
    „Das sagte ich.“
    „Weißt du, wer er ist?“ fragte Max, obwohl er die Antwort wusste.
    „Ein Dämon wie jeder andere.“
    Er lachte. Richard und Amanda küssten sich einmal intensiv und musterten dann wieder den Neuen in ihrer Gruppe, gespannt lauschten sie den Ausführungen.
    „W Y X N A X“, sagte Max langsam, kontrolliert, um Katja auf etwas aufmerksam zu machen.
    „Ja.“
    „Was für ein Fest haben wir bald?“
    „Weihnachten.“
    „Und?“
    „Was und? Ich habe vor, ein paar Leuten das Weihnachtsfest zu vermiesen.“
    „Ich weiß, nur warum hast du dich für ihn entschieden?“
    Der Kellner kam vorbei.
    „Kaffee!“
    „Sofort.“
    Katja schaute ratlos.
    „Weil Wyxnax ein bisschen wie Weihnacht klingt.“
    „Nicht nur klingt, meine Liebe. Wyxnax ist der Weihnachtsmann.“
    „Ha ha, der ist gut“, aber Max´ Gesichtsausdruck wurde finsterer.
    „Der Weihnachtsmann existiert nicht“, sagte
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