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Schattenfreundin

Schattenfreundin

Titel: Schattenfreundin
Autoren: Christine Drews
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Bad. Schnell zog sie sich an, dann verließ sie die Wohnung, ohne noch einen letzten Blick zu werfen auf diesen Bernd oder wie immer er hieß. Im Fahrstuhl lehnte sie sich an die Wand und seufzte. Es war ein toller Abend gewesen und eine noch tollere Nacht. Und trotzdem. Sie hatte sich still und heimlich davongemacht. Warum eigentlich? Der Mann, mit dem sie hemmungslosen Sex gehabt hatte, sah gut aus und war ihr von Anfang an sympathisch gewesen.
    Sie kam sich fast ein bisschen schäbig vor, während sie das Mehrfamilienhaus verließ und zum Taxistand eilte, der nicht weit entfernt lag.
    »Sebastianstraße 15«, sagte sie, stieg ein und ließ sich müde auf den Rücksitz fallen.
    Während das Taxi durch das nächtliche Münster fuhr, dachte Charlotte über den Abend nach. Sie musste lächeln. Dieser Bernd hatte genau gewusst, wo er sie berühren musste, er hatte genau die richtigen Stellen gefunden, damit sie eine ungezügelte Lust empfand, so heftig wie lange nicht mehr. Schon bevor sie in seiner Wohnung gelandet waren, hatte er sich wie ein vollendeter Gentleman verhalten. Nachdem er sie im Sixpack angesprochen hatte, entpuppte er sich als fabelhafter Gesprächspartner, er war witzig und intelligent, und sie hatten sich angeregt unterhalten. Er hatte ihr gut gefallen. Zu gut. Das konnte gefährlich werden.
    »Was ist denn bitte gefährlich daran, sich zu verlieben?«, hatte ihre Schwester Ina neulich am Telefon gesagt. Aus ihrer Sicht hatte sie natürlich recht. Aber Charlotte wollte sich nicht verlieben. Und eine Beziehung oder eine Familie wollte sie schon gar nicht. Nicht wie Ina, die seit zwölf Jahren verheiratet war und vier Kinder hatte. Vier Geschwister … Genau wie früher, dachte Charlotte. Philipp, Ina, Stefan und sie – eine richtige Rasselbande. Stefan hatte ihr immer besonders nahegestanden, stundenlang hatte sie mit ihrem kleinen Bruder Lego gespielt, und wenn er nachts einen Albtraum hatte, war er immer zu ihr ins Bett gekommen. Dann hatte er sich in ihre Arme gekuschelt und mucksmäuschenstill dagelegen.
    Charlotte hatte ihn an sich gedrückt und »Jetzt ist es ja wieder gut« gemurmelt. Eng umschlungen waren die beiden dann eingeschlafen … Sie spürte, wie ihr Magen sich zusammenzog, wie ein Stück Stanniolpapier, das in eine Flamme gerät. Jedes Mal krampfte sich alles in ihr zusammen, wenn sie an Stefan dachte, so sehr schmerzte sie der Gedanke an ihn und an die schrecklichen Ereignisse, obwohl die schon so lange zurücklagen.
    Damals war die Welt noch in Ordnung gewesen, einigermaßen zumindest. Manchmal war auch noch die kleine Ina zu ihnen gekrochen, sodass es in Charlottes Bett ziemlich eng geworden war. Jetzt musste Charlotte sogar ein wenig lächeln.
    Und nun hatte Ina selbst einen Haufen Kinder, und die wollten wahrscheinlich dauernd zu ihr ins Bett.
    Nein, danke. Charlotte schüttelte den Kopf und starrte in die dunkle Nacht. Manchmal kam ihr Inas Verhalten geradezu dumm vor. Die eigene verkorkste Kindheit noch einmal erleben zu wollen, nur eben in einer heilen und behüteten Welt … Nein, das war nicht ihr Weg, mit der Vergangenheit klarzukommen.
    Zu Hause nahm sie eine heiße Dusche und machte sich einen Kaffee. Es war noch nicht mal fünf Uhr, aber sie wusste genau, dass sie nicht mehr schlafen konnte. In zwei Stunden müsste sie sowieso aufstehen, da lohnte es sich nicht, noch ins eigene Bett zu gehen.
    Ihre kurz geschnittenen dunklen Haare waren schon fast trocken, als sie in ihrem schwarz-weiß karierten Bademantel zum Briefkasten ging, um die Zeitung zu holen. Heute war Freitag, das Wochenende stand vor der Tür. Endlich mal wieder ausgehen und Spaß haben, dachte sie und musste grinsen. Den hatte sie ja eigentlich gerade gehabt. In letzter Zeit ging sie immer öfter auch donnerstags aus. Da sie grundsätzlich keinen Alkohol trank, machten ihr solche Nächte nicht viel aus. Sie hatte noch nie viel Schlaf gebraucht, vier bis fünf Stunden reichten ihr. Sonst würde sie solche nächtlichen Trips auch nicht machen. Für Charlotte war es eine Selbstverständlichkeit, im Dienst fit zu sein. Seit sie nach dem Abschluss ihres Psychologiestudiums bei der Kripo Münster angefangen hatte, hatte sie keinen einzigen Tag gefehlt. So gerne Charlotte auch ausging und das Nachtleben genoss – die Disziplin durfte nicht darunter leiden. Und da sie nie geraucht oder getrunken hatte, sah man ihr auch nicht an, dass sie schon auf die vierzig zuging. Viele schätzten sie auf Ende zwanzig oder
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