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Schattenfreundin

Schattenfreundin

Titel: Schattenfreundin
Autoren: Christine Drews
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ihnen aufnehmen sollte, entschied sich aber sofort dagegen. Wenn man sich fast fünfzehn Jahre lang nicht gesehen hat, was soll man sich dann erzählen, dachte sie. Nein, sie würde sich einen neuen Freundeskreis aufbauen, und vielleicht war diese Tanja genau die Richtige dafür …
    Abgekämpft kam sie mit Leo bei ihren Eltern an. Während sie durch den großen Garten auf das Haus zuging, seufzte sie tief. Alles sah perfekt aus: die Rasenflächen gepflegt, die Bäume gestutzt, die Blumen in den Beeten farblich genau aufeinander abgestimmt. Das war typisch für ihre Mutter. Man musste etwas darstellen nach außen. Das große Einfamilienhaus im Stil der siebziger Jahre mit ungleichmäßig geschrägtem Dach und heller Fassade passte genau dazu; es wirkte kühl und distanziert, gleichzeitig ließ es auf einen gewissen Wohlstand der Bewohner schließen. Nein, dachte Katrin wieder einmal, das ist nicht mein Stil. So möchte ich nicht wohnen. Da wirkt ja sogar mein Durcheinander mit den Umzugskisten gemütlicher.
    Ihre Mutter, die gerade erst nach Hause gekommen war, machte Tee. Leo lief sofort in den Garten, um mit Lizzie zu spielen, die ihr Vater vor über zehn Jahren halb tot in einer Mülltonne gefunden und wieder aufgepäppelt hatte. Seit damals waren er und die Katze unzertrennlich. Ihre Mutter musste hart kämpfen, damit Lizzie wenigstens aus dem Schlafzimmer verbannt blieb.
    »Schau mal, ob sie wieder da ist!«, rief ihre Mutter Leo hinterher, dann wandte sie sich an Katrin: »Wir haben die alte Streunerin seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen. Dein Vater ist schon ganz unruhig, du kennst ihn ja.«
    »Wo ist Papa eigentlich?«, fragte Katrin.
    »Er hält noch Mittagsschlaf. Er wird sicher gleich herunterkommen.« Ihre Mutter stellte Teegeschirr auf den Esstisch. »Du siehst übrigens furchtbar aus, Kind«, sagte sie tadelnd.
    Katrin zog die Augenbrauen hoch. Das musste ja kommen! Ihre Mutter sah wie immer perfekt aus: das graublonde Haar zu einem klassischen Pagenkopf frisiert, dunkelblaues Twinset, beigefarbene Hose, die Fingernägel frisch lackiert, dezente Goldkette.
    »Danke für das Kompliment, Mama«, antwortete sie müde und gab ihrer Mutter die Plastiktüte.
    »Ach, für die Kleiderkammer. Sehr gut«, sagte ihre Mutter. »Und? Sind alle Kisten endlich leer?«
    »Noch nicht ganz.«
    »Sollen wir dir nicht doch helfen?«
    Katrin schüttelte den Kopf. »Nein, nein, wirklich nicht.«
    Ihre Mutter war überaus neugierig, sie würde hemmungslos in fremden Sachen herumstöbern, während ihr Vater vermutlich einen Teller nach dem anderen fallen ließ.
    »Aber ich sehe doch, dass du überfordert bist.«
    Typisch, dachte Katrin. Sie konnte sich nicht erinnern, dass ihre Mutter sie jemals bestärkt hatte. Immer hieß es nur, Katrin schafft das nicht.
    »Ich werde Papa wecken«, sagte Katrin in der Hoffnung, dass das Thema damit beendet war.
    »Nicht nötig«, hörte sie ihren Vater sagen.
    Katrin drehte sich um. Blass und mit eingefallenem Gesicht stand er auf der dunklen Holztreppe. Er sah richtig krank aus.
    »Alles okay, Papa?«, fragte Katrin.
    »Ja, ja, sicher. Mein Kreislauf ist nur ein bisschen schlapp. Alles in Ordnung.«
    Katrin musterte ihn besorgt. Ihr Vater war inzwischen einundsiebzig und immer gesund gewesen. Aber seit ein paar Monaten fühlte er sich manchmal unwohl, und Katrin hoffte, dass das kein schlechtes Zeichen war. Sie hatte immer eine besondere Verbindung zu ihrem Vater gehabt. Da er sich grundsätzlich aus der Erziehung herausgehalten hatte, war er ihre Zuflucht gewesen, wenn es mal wieder Streit gegeben hatte mit ihrer Mutter. Er hatte sie getröstet und Verständnis gezeigt.
    Ein Schrei riss sie aus ihren Gedanken. Sie zuckte zusammen. Das kam aus dem Garten. Leo!
    Sie lief hinaus. Bestimmt hatte er sich das Knie aufgeschlagen! Hoffentlich hatte er sich nichts gebrochen!
    Katrin war auf alles vorbereitet, doch das, was sie dann erblickte, war so grauenvoll, dass ihr schwindelig wurde. Sie presste die Hand vor den Mund, um sich nicht zu übergeben.
    Vorsichtig schob Charlotte Schneidmann die Bettdecke zur Seite. Sie ärgerte sich, dass sie eingeschlafen war.
    Wie hieß er noch? Bernd, Bernard oder Bernhard? Sie wusste es nicht mehr. Und sie wollte es auch gar nicht wissen. Nicht im Traum dachte sie daran, diesen Mann noch einmal wiederzusehen, geschweige denn, noch einmal mit ihm zu schlafen.
    Leise, um ihn nicht zu wecken, stand sie auf, sammelte ihre Sachen vom Boden auf und schlich ins
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