Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenfluegel

Schattenfluegel

Titel: Schattenfluegel
Autoren: Kathrin Lange
Vom Netzwerk:
Lukas den Mord anzuhängen?«, fragte sie.
    »Viel wichtiger ist doch, warum ich es getan habe, nicht wahr? Als ich begriff, dass du dich demselben Mistkerl an den Hals werfen wolltest wie Nina, wurde mir klar, dass ich meine Pläne ändern musste. Ich wollte dich nicht auch noch verlieren, also habe ich mir überlegt, dass es eine gute Idee ist, stattdessen Lukas loszuwerden. Wenn er für die Morde ins Gefängnis gehen würde, wäre er kein Problem mehr. Also habe ich eines seiner Haare an Maries Leiche hinterlassen.«
    »Woher hattest du es?«
    Statt darauf zu antworten, hob Sigurd seine Hand und zeigte auf den dicken Silberring mit dem Adler. Und da begriff Kim.
    »Samstagabend im Garten!«, stieß sie hervor. »Als du Lukas aufgefangen hast, hast du ihn mit dem Ring verletzt.«
    Sigurd lachte leise. »Genau, meine Kleine. Wie klug du bist!« Er sprach jetzt wieder mit seiner vertrauten, tiefen Stimme und Kim gruselte es davor, wie schnell er von einer Rolle in die nächste schlüpfen konnte. »Ein paar seiner Haare sind an dem Ring hängen geblieben. Praktisch, nicht wahr? Ich musste nur noch einmal zu Marie zurück und das Haar in ihre Hand legen.«
    Kim schluckte.
    »Sieht fast so aus, als sei der Große Geist des Roten Volkes auf meiner Seite, was meinst du?« Wieder lachte er. Er klang inzwischen nicht mehr menschlich.
    »Was …« Kim musste neu ansetzen. »Was hast du jetzt vor?« Sie konnte den Blick nicht von der Libelle in der kleinen Schachtel lassen.
    »Ich fürchte, es gibt nur einen Weg, den wir beide gemeinsam gehen können«, meinte Sigurd liebevoll. »Steh auf!«
    Kim war sich sicher, dass ihre Beine sie nie im Leben tragen würden, doch sie wurde überrascht. Als sie sich an der Wand in die Höhe stemmte, stand sie einigermaßen sicher. Sie presste die Handflächen gegen den rauen Putz. Angstvoll starrte sie Sigurd an.
    »Du hast dich wie Nina diesem Lukas an den Hals geworfen«, sagte er. »Ich fürchte, dafür muss ich dich bestrafen.« Er griff in die Tasche seiner Hose und zog ein Taschenmesser heraus. Vor Kims Gesicht hielt er es in die Höhe, dann betätigte er den Schnappmechanismus.
    Kim fuhr zurück, als die Klinge aufsprang. Sie stieß sich den Kopf an der Wand, spürte es aber kaum. Wo zum Teufel blieb die Polizei?
    »Sie werden gleich kommen und mir helfen!«, keuchte sie. Alle Klarheit, alle Ruhe, die sie eben verspürt hatte, waren einer allumfassenden, schrecklichen Angst gewichen.
    »Wer?« Sigurd lachte auf. Das Geräusch hallte von der niedrigen Kellerdecke wider.
    »Die Polizei. Du hast sie eben selbst gerufen.«
    »Du meinst hiermit?« Er zog sein Handy aus der Tasche und präsentierte es Kim.
    Kim nickte.
    »Drück die Wahlwiederholung!«, forderte er sie auf.
    Kim zögerte. Sie witterte eine Falle, aber Sigurd grinste nur. »Na los! Mach schon!«
    Da griff sie mit zitternden Händen nach dem Handy und drückte die Wahlwiederholung.
    »Hallo«, hörte sie eine überaus vertraute Stimme. »Hier ist der Anschluss von Sigurd Steinhauer. Ich bin zurzeit nicht zu Hause, aber Sie können mir gern eine Nachricht hinterlassen.«
    Der Piepston, der der Ansage folgte, schrillte ohrenbetäubend laut in Kims Ohren. Sie ließ das Handy fallen. Geschickt fing Sigurd es auf, unterbrach die Verbindung und steckte das Gerät wieder ein. »Ich habe meinen eigenen Anrufbeantworter angerufen«, erklärte er Kim überflüssigerweise. »Du glaubst doch nicht im Ernst, ich bin so verrückt und hetze mir selbst die Polizei auf den Hals?«
    Verrückt?
    Beinahe hätte Kim gelacht. Plötzlich fühlte sie sich so leicht, als wäre sie von ihrem eigenen Körper getrennt. Nein, er war nicht verrückt. Er war vollkommen irre. Überhaupt nicht mehr er selbst!
    Kims Blick heftete sich auf die blanke Messerklinge.
    Sigurd streckte eine Hand nach ihrem Arm aus, wollte sie packen. Aber da reagierte sie blitzschnell. Sie tauchte unter seiner Hand weg. Dann warf sie sich herum.
    Und rannte los.

Kapitel 23
    »Bleib hier, du Miststück!«, schrie Heiner Nerius’ Stimme, aber das trieb Kim nur noch weiter an.
    Der Kellergang war nicht besonders lang. Nach wenigen Metern schon stieß er auf eine Treppe, die ins Erdgeschoss führte. Kim jagte die Stufen hinauf. Sigurd war hinter ihr, sie konnte seine Schritte hören, seinen Atem, der ihr wie das Hecheln eines Jagdhundes im Nacken saß. Kein Hund. Ein Wolf. Hysterisches Gelächter drängte sich in ihrem Brustkorb zusammen. Sie erreichte den Saal mit den schwarz-roten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher