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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch
Autoren: Markolf Hoffmann
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Thron? So nanntet Ihr mich doch - einen Irren … dabei seid Ihr der Wahnsinnige, von Machtgier zerfressen.« Er krallte sich in Binhipars Gewand fest. »Ich bin es leid, Euren Plänen zu dienen! Ihr habt mich stets verachtet, weil ich nicht der würdige Nachfolger Torsunts war. Ihr habt mich vom Thron gestoßen und meinen Sohn hinaufgezerrt - so soll es bleiben! Und falls Euch Uliman nicht paßt, setzt Euch selbst die Krone auf … das Kaiserreich geht ohnehin vor die Hunde!« Er versuchte sich aus den Griffen der Nihirdi zu befreien. »Laßt mich! Ich will dem Mann in die Schatten folgen. Seht, er winkt mir zu … laßt mich gehen!«
    Ein ohrenbetäubendes Krachen. Der Boden unter ihnen sackte weg. Steinplatten sprangen aus den Fugen. Die Außenwand des Zimmers rutschte hinab wie die Spielkarte eines Kartenhauses, riß den Fensterrahmen, die Gitter, den Vorhang mit sich und füllte den Raum mit Staub. Garalac warf sich auf Akendor und zerrte ihn zur Tür. Auch Binhipar und Blidor retteten sich in den Gang.
    »Wir müssen von hier verschwinden, Vater«, rief Blidor unter starkem Husten.
    Binhipar blickte auf Akendor, der wimmernd am Boden lag. Dann wandte er sich an Garalac. »Du bist für ihn verantwortlich, Troublinier. Und nun kommt - wir nehmen die südliche Treppe!«
    Sie verschwanden in der Staubwolke, die durch den Gang waberte. Die einstige Zelle Akendors war nun verlassen; Sonnenstrahlen fielen durch die klaffende Lücke der Außenmauer und tauchten den Raum in milchiges Licht. In der Ecke, inmitten des aufwirbelnden Staubs, hockte der Schattenspieler; er hatte das Seidentuch von seinem Hals hochgeschoben, um Mund und Nase zu schützen.
    »Zu spät … ich kam zu spät«, murmelte er durch den Stoff. »Wie bedauerlich! Ich hätte Akendor gern nach Schattenbruch mitgenommen - dort hätte er Frieden gefunden.« Nachdenklich blickte er auf den Gang, in dem die Männer verschwunden waren. »Nun hat Binhipar ihn in seinen Krallen. Wer hätte gedacht, daß dieser Schuft den Anschlag von Vara überlebt hat? Er ist bestimmt nicht gut auf den kleinen Uliman zu sprechen. Er wird sich an ihm rächen wollen - das könnte sehr interessant werden!«
    Seine Augen blinzelten voller Vorfreude. Er strich sein Lederwams glatt. Dann erhob er sich, huschte zur offenstehenden Tür, die im Takt der Erdstöße gegen die Mauer schlug. Kurz darauf schlüpfte er in den dunklen Spalt zwischen Tür und Wand und verschwand in den Schatten.
    Eine Stadt in Trümmern. Die Bewohner vertrieben, die Häuser zerrüttet; Staub wehte über Nandars Gassen. Zwischen Steinen, Schutt und Geröll lagen die Leichen all jener, die nicht schnell genug hatten fliehen können. Triumphierend grollte der Untergrund. Das Sithalit feierte seinen Sieg, barst vor Freude über den Befreiungsschlag. Felskeile schnellten aus der Tiefe empor, rissen die Straßendecke auf wie Stacheln. Doch noch war die Jagd nicht vorbei, noch war es zu früh, den Zorn abklingen zu lassen.
    Vier Männer wankten durch die Straßen - Binhipar und sein trauriges Gefolge. Das Gesicht des Fürsten war starr, als er über die gefallenen Mauern hinwegstieg. Die Stadt seiner Väter und Vorväter war ein Trümmerfeld. Obwohl Binhipar sich zusammennahm, war ihm die Verbitterung anzumerken.
    Gelegentlich hielt er inne und sah sich nach seinen Begleitern um. Blidor folgte ihm dicht auf den Fersen; doch die zwei anderen Männer waren zurückgefallen. Akendor stürzte immer wieder zu Boden, mußte von seinem Diener Garalac mitgeschleift werden.
    Ununterbrochen murmelte der Kaiser vor sich hin - unverständliche Sätze, nur wenige Worte waren zu erken- nen, »Syllana … Ceyla, süße Ceyla … was trieb mich? Was trieb mich? … Suena, armes Kind, armes Mädchen … ich Mörder! Ich elender Mörder!«
    Immer wieder riß Garalac den Kaiser mit sich, doch sie kamen nur langsam voran.
    Binhipars Brustkorb hob und senkte sich; die Verzweiflung drohte ihn zu überwältigen. In den Staubschwaden war unvermittelt der Umriß eines Überlebenden zu erkennen; er kniete auf der Straße, stöhnte, streckte die Arme nach Binhipar aus … blutige Stümpfe, zerquetscht unter Gesteinsbrocken. Binhipar erbleichte. Rasch schritt er weiter. Sie mußten fort … hinaus aus der Stadt - und dann würde er Rache an jenen üben, die dieses Unglück verantwortet hatten, o ja, das würde er!
    Unter ihm erwachte das Sithalit. Es spürte, daß noch Leben in der Stadt herrschte, daß noch immer Menschen in den Straßen
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