Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Titel: Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)
Autoren: Christian V Ditfurth
Vom Netzwerk:
sah er Umrisse des Schranks, daneben das alte Bücherregal, in dem sie Bücher aufbewahrte, die er längst zum Altpapiercontainer getragen hätte. Sie hustete, ohne aufzuwachen. Er sah nur den Schattenriss ihres Gesichts im Dämmerlicht, das die Straßenlaterne warf. Sie atmete langsam und gleichmäßig. Er mühte sich, den Schmerz im Rücken zu besänftigen, indem er seinen Körper vorsichtig hin- und herschob auf der Matratze. Es half wenig, er stand auf.
    Er tastete sich zur Tür, trat auf etwas Hartes, einen Bleistift vielleicht, und stöhnte auf. Als er im Flur stand und die Schlafzimmertür geschlossen hatte, drehte er das Licht an. Er setzte sich aufs Klo, pinkelte, wusch und trocknete sich die Hände. Dann ging er in die Küche. Die Uhr zeigte halb vier. Er goss sich ein Glas mit Wasser ein und trank es aus. Er setzte sich an den Tisch, blätterte im Hamburger Abendblatt, eine Gerichtsreportage, da fiel ihm Ines ein. Der Prozess war vorbei, er würde sie nie wieder sehen. Er dachte an die Nacht, die sie miteinander verbracht hatten, die Erinnerung reizte ihn. Er schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie Ines aussah. Aber die Konturen verschwammen. Dann blätterte er weiter, ohne recht zu verstehen, was er überflog.
    Die Küchentür öffnete sich. Anne blieb im Türrahmen stehen: »Was ist? Schmerzen?«
    »Ja, auch.«
    »Auch?«
    »Mich hat die Erleuchtung geweckt«, sagte Stachelmann.
    Sie starrte ihn ungläubig an. »Aber sonst geht es dir gut?« Sie trat in die Küche und schloss die Tür. »Wir wecken noch Felix.« Sie gähnte. »Und wie sieht die aus, die Erleuchtung?«
    »Hell natürlich, sie blendet. Und sie verbrennt einem erst Hände und Arme, dann den Rest.«
    Sie ließ ihre Augen über seine Hände und Arme wandern und schüttelte den Kopf. »Und dir geht es wirklich gut, bis auf die Schmerzen?«
    Er nickte. »Warum bist du aufgewacht?«
    Sie stellte sich hinter einen Küchenstuhl und stützte die Hände auf dessen Lehne. »Ich habe einen Mist geträumt.«
    Er schaute ihr fragend in die Augen.
    »Na ja, dass du schon wieder den Detektiv spielst, und diesmal geht es schief.« Sie lachte müde.
    Er grinste sie an. »Nein, zweimal reicht. Wirklich. Beim ersten Mal war ich zu neugierig, mein Fehler. Beim zweiten Mal hatte ich keine Wahl. Und damit hat es sich.«
    Sie setzte sich auf den Stuhl, stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte das Kinn in die Hände. »Hast du denn auch über die andere Sache nachgedacht?«
    »Die andere Sache? Ach so. Ja, natürlich.«
    »Und was ist das Ergebnis?«
    »Es gibt keines, noch nicht.«
    »Du machst es uns schwer, Josef, immer so schwer. Warum nur?«
    »Ich nehme es ernst, das ist was anderes. Komm, geh schlafen, solche Nachtdiskussionen bringen uns nicht weiter.«
    »Die am Tag aber auch nicht.« Sie stand auf und schaute ihn zärtlich an. »Versuch doch auch zu schlafen. Sonst bist du morgen, nee, heute wieder so zerschlagen.«
    »Mal sehen, nachher.«
    Sie verließ die Küche und schloss die Tür. Er starrte auf die Tür, als könnte er hindurchsehen. Ihr Streit, wann hatte er begonnen? Und um was ging es eigentlich? War Streit überhaupt das richtige Wort? Seit Wochen lief es so, und es zerrte an beider Nerven.
    Dann fuhr er zusammen, als hätte ein Blitz ihn getroffen. Es war die Klingel. Einmal, zweimal, dreimal schrillte sie durch die Wohnung. Da sprang er auf, der Stuhl fiel nach hinten um und schlug laut auf den Linoleumboden. Als er die Küchentür aufriss, hörte er Felix weinen.
    Anne kam aus dem Schlafzimmer. »Das kann nur ein Besoffener sein, verdammt.« Sie verschwand in Felix' Zimmer. Stachelmann fragte zornig in die Gegensprechanlage: »Sind Sie verrückt?«
    »Polizei«, sagte eine leise Frauenstimme. »Machen Sie auf, bitte.«
    Die Stimme berührte etwas in ihm. Er hatte sie schon einmal gehört, irgendwann. Stachelmann drückte auf den Knopf, der die Haustür öffnete. Dann eilte er ins Badezimmer, zog sich den Bademantel an, trat zurück in den Flur und wartete. Die Schritte auf der Treppe näherten sich rasch. Es waren leise, schnelle Schritte. Dann sah er sie. Natürlich, er kannte sie. Das war doch Ossis Kollegin. Wie hieß sie nochmal? Sie war klein und hatte kurze schwarze Haare. Sie ähnelt Anne, dachte Stachelmann, nicht nur der Haare wegen. Etwas zierlicher. Sie hatte rote Augen, als wäre sie erkältet. Oder als hätte sie geweint.
    »Entschuldigung«, sagte sie. »Es ist früh.« Ihre Augen sagten: Ich kann nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher