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Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Titel: Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)
Autoren: Christian V Ditfurth
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anders.
    Stachelmann führte sie in die Küche, füllte Kaffeepulver in einen Filter und Wasser in die Maschine, dann schaltete er die Kaffeemaschine ein. Die Polizistin setzte sich auf einen Stuhl und nestelte an ihrem Pullover, den sie unter dem Anorak trug. Warum ist sie gekommen? Bestimmt nicht wegen mir oder Anne. Sie war fertig mit den Nerven und würde etwas sagen, wenn sie es für richtig hielt. Wenn seiner Mutter etwas passiert war? Ein Verbrechen? Aber sie will doch zu Anne, woher sollte sie wissen, dass du hier bist? Es beruhigte ihn ein wenig. Aber wenn Annes Mutter etwas geschehen war? Furchtbar, wo sich doch der Vater schon erschossen hatte, ohne einen Abschiedsbrief zu hinterlassen. Er spürte, wie die Ungewissheit ihn zu quälen begann. Er stellte drei Kaffeebecher sowie Zucker und Milch auf den Tisch. Die Polizistin schien es nicht zu bemerken. Sie nestelte am Ausschnitt des Pullovers und starrte auf die Tischplatte. Dann schluckte sie zweimal und sagte: »Wir kennen uns.«
    Stachelmann nickte. Er setzte sich ihr gegenüber.
    Dann sagte sie: »Ossi ist tot. Heute Nacht.«
    Er schaute sie streng an, als vermutete er einen geschmacklosen Scherz. Dann fiel ihm ein: »Sie sind Frau Nebel.«
    »Hebel«, sagte sie. »Carmen Hebel. Nennen Sie mich Carmen, das hat Ossi auch getan.«
    Ossi war tot. »Tot?«
    Sie nickte. Eine Träne lief vom Auge über den Wangenknochen und den Mundwinkel bis zum Kinn, dort blieb sie hängen.
    Stachelmann starrte die Träne an. Er hörte Felix schreien.
    »Als wir einmal hier vorbeigefahren sind, hat Ossi mir erzählt, dass Sie manchmal bei Ihrer Freundin wohnen. Er hat ein bisschen geschwärmt von Ihrer Freundin, hatte sogar ihren Namen in sein Adressbuch geschrieben. Und einmal haben wir Sie hier vorbeigebracht, Sie haben es gewiss vergessen.« Er hatte es nicht vergessen.
    Die Kaffeemaschine spotzte leise, dann zischte und fauchte sie.
    Er wollte fragen, wie es geschehen war, spürte aber, es war besser, sie erzählen zu lassen, auch wenn seine Ungeduld ihn plagte.
    Anne trat ein, Felix schrie nicht mehr. Sie stellte sich hinter Stachelmann und legte ihre Hände auf seine Schultern. Sie fragte nicht, sondern schaute Carmen an.
    Aber die sah es nicht, hatte offenbar nicht einmal bemerkt, dass Anne in die Küche gekommen war. Carmen starrte aus feuchten Augen immer nur auf die Tischplatte. »Er sitzt da an seinem Schreibtisch ... sein Kopf auf der Schreibtischplatte ... auf einem Stapel Papier, einer Art Akte, in der er vor seinem Tod vielleicht gelesen hat.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, er ist jetzt in der Rechtsmedizin, und sie haben ihn vielleicht schon aufgeschnitten.« Sie schüttelte wieder den Kopf. Dann sagte sie noch leiser: »Und wenn er sich umgebracht hat? Warum? Und wenn ihn jemand ermordet hat? Warum? Ich verstehe es nicht.«
    Stachelmann spürte, wie Annes Hände seine Schultern fester drückten. Carmens Gesicht hob sich, sie schaute Anne an aus nassen Augen. Die drehte sich weg zur Kaffeemaschine, zog die Kanne heraus und goss ein in die drei Becher auf dem Tisch. Dann setzte sie sich an den Tisch, rührte in ihrem Becher, obwohl sie weder Zucker noch Sahne hineingegeben hatte. Der Löffel kratzte am Becherrand, Stachelmann schaute kurz hin, ärgerte sich einen Augenblick, aber dann war es ihm egal.
    »Ich habe ihn gefunden«, sagte Carmen. »So gegen Mitternacht oder kurz danach. Ich kam aus dem Präsidium ...« Sie trank einen Schluck Kaffee. »Wir waren befreundet.« Sie trank hastig mehrere Schlucke. »Es war eigentlich schön, aber auch nicht leicht. Und da gab es dieses Problem, das er vor aller Welt versteckt hat.«
    »Welches Problem?«, fragte Anne sanft.
    »Alkohol«, erwiderte Carmen. »Ich hab versucht, ihn davon abzubringen. Manchmal hab ich geglaubt, es sei geglückt. Aber dann habe ich wieder eine Flasche gefunden. Wissen Sie, er hat sie versteckt, wenn er wusste, dass ich kam. Zwei- oder dreimal in der Woche. Zusammenziehen wollte ich nicht mit ihm.« Es klang, als machte sie sich einen Vorwurf. Als hätte sie seinen Tod verhindern können, wenn sie mit ihm zusammengezogen wäre.
    Stachelmann versank noch tiefer in sich. Er musste nichts sagen oder fragen. Anne würde es tun, und er würde zuhören und nachdenken. Er dachte an die Szene am Flughafen, als er fast erschossen worden wäre und Ossi ihn gerettet hatte. Ossi, der mal die Revolution herbeigesehnt hatte und dann doch Polizist geworden war. Wie er Stachelmann anrief, nachdem er in
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