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Schatten der Liebe

Titel: Schatten der Liebe
Autoren: Judith McNaught
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ein Kind; außerdem kannte sie keines der Spiele, mit denen die anderen ihre ganze Freizeit verbrachten, wenn sie sie also mitspielen ließen, dann wirkte sie durch ihre Unerfahrenheit ungeschickt und tolpatschig. Das allerschlimmste aber war, daß die Lehrer sie schon nach wenigen Tagen bevorzugten, weil sie intelligent war.
    Binnen eines Monats hatten sämtliche Mitschüler Meredith als Außenseiter abgestempelt und ächteten sie wie jemanden aus einer gänzlich anderen Welt. Wenn sie hübsch genug gewesen wäre, um Bewunderung zu wecken, hätte das mit der Zeit vielleicht einiges geändert - aber sie war nicht hübsch. Mit neun Jahren bekam sie eine Brille; mit zwölf hatte sie eine Zahnspange; mit dreizehn war sie die größte in ihrer Klasse.
    Letzte Woche aber, nachdem Meredith schon fast die Hoffnung aufgegeben hatte, jemals eine richtige Freundin zu finden, hatte sich alles verändert: Lisa Pontini war in die achte Klasse von St. Stephen's eingetreten. Gut zwei Zentimeter größer als Meredith, bewegte sie sich wie ein Mannequin und beantwortete schwierige Matheaufgaben mit der Miene eines gelangweilten Gelehrten. In der Mittagspause desselben Tages hatte Meredith auf einer niedrigen Steinmauer am Rande des Schulgeländes gesessen und wie jeden Tag mit einem aufgeschlagenen Buch auf dem Schoß ihre Brote verspeist. Anfänglich hatte sie sich ein Buch mitgebracht, weil dies das Gefühl der Einsamkeit und Ausgeschlossenheit minderte, seit der fünften Klasse aber war sie sowieso zu einer begeisterten Leseratte geworden.
    Sie wollte gerade umblättern, als ein Paar abgewetzte College-Schuhe in ihr Blickfeld kamen - und da stand Lisa Pontini und blickte sie neugierig an. Lisa war als dunkler Typ mit einem Berg roter Haare das genaue Gegenteil von Mere-dith; darüber hinaus strahlte sie ein nicht näher definierbares Flair aus, eine Mischung aus Selbstbewußtsein und Elan. Anstatt ihren grauen Schulpullover ordentlich über die Schultern zu legen, wie Meredith es tat, hatte sie die Ärmel über der Brust lose verknotet.
    »Mein Gott, was für ein müder Sauladen!« stöhnte sie, setzte sich neben Meredith und ließ ihren Blick über das Schulgelände schweifen. »Ich habe noch nie in meinem Leben so viele kleinwüchsige Jungen gesehen. Die mischen hier wohl etwas ins Trinkwasser, was das Wachstum hemmt. Wie ist dein Notendurchschnitt?«
    Die Noten wurden in St. Stephens auf Dezimalstellen genau in Prozent angegeben. 100 Prozent war das optimal Erreichbare. »97,8«, antwortete Meredith, die über Lisas unverblümte Bemerkungen ebenso überrascht war, wie über die unerwartete Gesellschaft.
    »Meiner ist 98,1«, konterte Lisa, und Meredith bemerkte, daß Lisa Ohrlöcher hatte. Ohrringe und Lippenstift waren in der Schule verboten. Während Meredith dies interessiert wahrnahm, musterte Lisa sie ihrerseits. Mit einem verwunderten Lächeln fragte sie unverblümt: »Bist du freiwillig ein Einzelgänger oder bist du so eine Art Außenseiter?«
    »Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht«, log Meredith.
    »Wie lange mußt du die Zahnspange tragen?«
    »Noch ein Jahr«, sagte Meredith und entschied, daß sie Lisa Pontini überhaupt nicht mochte. Sie klappte ihr Buch zu und stand auf, froh darüber, daß es jeden Moment klingeln mußte.
    Später am Tag stellten sich die Schüler wie an jedem letzten Freitag im Monat in der Kirche an, um bei den Priestern von St. Stephen's ihre Sünden zu beichten. Meredith, die sich wie üblich sehr schlecht vorkam, kniete im Beichtstuhl nieder und berichtete Pater Vickers ihre Vergehen: zum Beispiel, daß sie Schwester Mary Lawrence nicht mochte und daß sie zu viel Zeit damit zugebracht hatte, über ihr Aussehen nachzudenken. Anschließend hielt sie die Tür für den nächsten auf, kniete sich in eine Bank und sprach die ihr aufgetragenen Bußgebete.
    Da die Schüler anschließend frei hatten, wartete Meredith vor der Kirche auf Fenwick. Wenige Minuten später kam Lisa die Kirchentreppen herunter und zog ihre Jacke an. Meredith, die immer noch mit Schrecken an Lisas Bemerkungen über ihre Außenseiterrolle und die Zahnspange dachte, beobachtete mißtrauisch, wie das andere Mädchen umherschaute, und dann auf sie zukam.
    »Kannst du dir vorstellen«, verkündete sie, »daß Vickers mir für heute abend einen ganzen Rosenkranz aufgebrummt hat? Bloß wegen ein bißchen Rumschmuserei! Ich mag gar nicht daran denken, welche Strafe er für einen richtigen Zungenkuß vergibt!« fügte sie
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