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Schatten der Liebe

Titel: Schatten der Liebe
Autoren: Judith McNaught
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Scheidung eingereicht und das Sorgerecht für Meredith beantragt, willens, dabei den vollen politischen und gesellschaftlichen Einfluß der Bancroft-Familie auszunützen. Doch soweit kam es gar nicht. Nach dem, was ihr Vater erzählte, hatte ihre Mutter nicht einmal die Verhandlung abgewartet, geschweige denn versucht, sich seinen Wünschen zu widersetzen.
    Nachdem ihm das Sorgerecht für Meredith sicher war, hatte er sich sofort darangemacht dafür zu sorgen, daß Meredith niemals dem Beispiel ihrer Mutter folgen würde. Er war entschlossen, aus ihr eine würdige Nachfolgerin jener Bancroft-Frauen zu machen, die ihr Leben wohltätigen Zwecken gewidmet hatten und bei denen niemand wagen würde, ihren Namen auch nur im entferntesten mit irgendeinem Skandal in Verbindung zu bringen.
    Als Meredith dann eingeschult werden sollte, hatte Philip entsetzt feststellen müssen, daß die Verhaltensregeln selbst innerhalb seiner gesellschaftlichen Schicht sehr viel lockerer geworden waren. Viele seiner Bekannten handhabten die Erziehung recht liberal und schickten ihre Kinder auf »progressive« Schulen wie Bently und Ridgeview. Bei der Besichtigung dieser Schulen kamen ihm Ausdrücke wie »unstrukturierte Klassen« und »Selbstverwirklichung« zu Ohren. Progressive Erziehung klang nach Disziplinlosigkeit, implizierte einen niederen Ausbildungsstandard. Nachdem jene Schulen sein Mißfallen erregt hatten, fuhr er mit Meredith nach St. Stephen's einer privaten katholischen Schule, die von Benediktinerinnen geleitet wurde - dieselbe Schule, die schon seine Tante und seine Mutter besucht hatten.
    Was er hier zu sehen bekam, hatte ihm gefallen: Vierundzwanzig Erstkläßlerinnen in schlichten, grau-blau karierten Trägerkleidern und zehn Jungen in weißen Hemden mit blauen Krawatten waren unaufgefordert aufgestanden, als die Nonne ihm das Klassenzimmer gezeigt hatte. Vierunddreißig Kinderstimmen hatten im Chor »Guten Morgen, Schwester!« gerufen. Darüber hinaus entsprachen die Lehrmethoden von St. Stephen's noch seinen Vorstellungen von guter Erziehung - im Gegensatz zu Bently, wo er einige Schüler beim Malen mit Fingerfarben beobachtet hatte, während andere, die gerade Lust zum Lernen hatten, sich mit Matheaufgaben beschäftigten. Zusätzlich würde Meredith hier also auch eine strenge moralische Erziehung genießen.
    Es war ihrem Vater nicht entgangen, daß die Wohngegend rund um St. Stephen's sehr viel schlechter geworden war, aber er war besessen von der Idee, daß Meredith in derselben moralisch properen Art erzogen werden sollte, wie schon drei Generationen der Bancroft-Frauen vor ihr. Das Problem der zweifelhafte Umgebung glaubte er dadurch lösen zu können, daß er Meredith vom Chauffeur zur Schule fahren und wieder abholen ließ.
    Sehr wohl entgangen war ihm jedoch die Tatsache, daß die Mädchen und Jungen, die St. Stephen's besuchten, keineswegs die tugendhaften kleinen Damen und Herren waren, für die er sie gehalten hatte. Es waren vielmehr ganz gewöhnliche Kinder aus Familien der unteren Mittelschicht oder sogar noch ärmeren Verhältnissen. Sie spielten zusammen und gingen miteinander zur Schule, und gemeinsam war ihnen auch das Mißtrauen, das sie allem gegenüber empfanden, was einem völlig anderen gesellschaftlichen Hintergrund entstammte.
    Meredith hatte nichts von alledem gewußt, als sie an ihrem ersten Schultag nach St. Stephen's kam. In ihrer properen grau-blau karierten Schuluniform und mit der nagelneuen Schulmappe unter dem Arm, die ihr Pausenbrot enthielt, war sie nervös, aber nicht direkt ängstlich in ihre zukünftige Klasse marschiert. Nachdem sie ihr bisheriges Leben fast ausschließlich allein oder in Gesellschaft ihres Vaters und zahlreicher Hausangestellter verbracht hatte, konnte sie es kaum erwarten, endlich Freunde im selben Alter zu haben.
    Der erste Schultag verlief solange gut, bis die Schüler nach Unterrichtsschluß aus dem Schulgebäude in Richtung Sport-und Parkplatz strömten. Dort hatte Fenwick in seiner schwarzen Chauffeursuniform neben den Rolls gewartet. Die älteren Kinder waren überrascht stehengeblieben, hatten große Augen gemacht - und dann geschlossen, daß Meredith reich und folglich »anders« war.
    Schon das hatte die Kinder mißtrauisch gemacht, aber gegen Ende der Woche hatten sie noch andere Dinge über »die Reiche« in Erfahrung gebracht, die Meredith endgültig aus der Gemeinschaft ausschlossen: Zunächst einmal sprach Meredith mehr wie ein Erwachsener als wie
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