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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)
Autoren: Maria Norda
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leer, nur
noch ein paar Krümel sammelten sich auf dem Boden. War das alles, was nach 27
Jahre übrig blieb? – graue Klumpen in einer zu groß geratenen Suppenterrine,
die mit einer Schöpfkelle einfach verstreut wurden?
    Fest umschlossen meine Hände die
Schale. Sie war eiskalt. Ich dachte an die Kälte, die mich bei der letzten
Berührung seines Gesichtes durchzogen hatte. Der Mann den ich liebte – den ich
immer lieben würde – war nichts weiter als ein kalter Klotz gewesen und doch
hatte in diesem Augenblick etwas Vertrautes gelegen. Das hier hatte nichts mehr
mit meiner Liebe zu tun, surreal und ungreifbar.
    Ich nahm die Schale von dem Podest
und im selben Moment legte sich eine Hand auf meine Schulter.
    »Lassen Sie nur, ich werde mich darum
kümmern«, flüsterte mir die Stimme des Bestatters ins Ohr. Ruckartig befreite
ich meine Schulter aus seinem Griff und trat auf die Wiese, die Schale immer
noch fest umschlossen. Meine Absätze sackten tief in das Erdreich ein und nur
vorsichtig konnte ich einen Fuß vor den anderen setzen, ohne dabei zu
straucheln.
    Das würde mir jetzt noch fehlen – die
stürzende Witwe. Angesichts meines zumeist nicht vorhandenen körperlichen
Geschickes, war diese Vorstellung gar nicht so abwegig.
    Ich schaffte es unbeschadet in die
Mitte der Wiese. Ein sanfter Wind umspülte mich wie die Wellen des Meeres. Er
verfing sich in meinen Haaren und meine blonde Mähne vollführte einen eigenen
Tanz.
    Mit aller Kraft die noch in mir
steckte, schleuderte ich die Schale in einem weiten Bogen um meine eigene Achse
und seine letzten Reste flogen hoch in die Luft – und als wäre es sein letztes
Aufbäumen, ritten einige der Flocken auf dem Wind und wurden fortgetragen, gen
Horizont, ganz weit weg.
    * * *
    Für den Leichenschmaus hatte ich
einen nicht weit entfernten Landgasthof gemietet. Die Trauergemeinde war im
ersten Stock untergebracht. Die gesamte Etage war von einem Balkon umsäumt, auf
dessen Geländer große, weiße Kerzen aufgestellt waren. Die Sonne hatte sich
bisher nicht gezeigt und eine bleischwere Wolkendecke bedeckte den Himmel. Es
fühlte sich an, als würde der Tag bald enden, dabei war es gerade einmal
Mittag.
    Ich hatte mich für ein Buffet mit
Stehtischen entschieden, damit jeder mit jedem reden konnte. Es war ein guter
Gedanke gewesen. Allerdings hatte ich dabei nicht bedacht, was dies für mich
bedeuten würde und ich musste mir eingestehen, dass ich die Situation völlig
unterschätzt hatte.
    Jeder der Anwesenden schien es als
seine Pflicht anzusehen, der hinterbliebenen Witwe seine Aufwartung zu machen.
Ständig wuselten Menschen um mich herum, die mir ihr Beileid aussprachen und
die schönsten Geschichten und Erinnerungen an Robert zum Besten gaben. Ich kam
nicht einmal dazu, in Ruhe etwas von den Köstlichkeiten zu probieren, die
aufgetischt worden waren. Nicht das es etwas geändert hätte. Ich würde keinen
Bissen herunter bekommen, aber ich war es so leid.
    Immer wieder starrte ich in verweinte
Augen, die unaufhörlich auf mich einredetet, um dann immer zum selben Ergebnis
zu kommen: »Aber was rede ich hier, wie geht es Ihnen?« Es folgte der
erwartungsvolle Ausdruck – als ob ich eine plausible Antwort parat gehabt
hätte.
    Wie sollte es mir schon gehen?
    Ich fühlte mich wie die
Hauptattraktion im Zoo, die jeder einmal streicheln wollte und so stammelte ich
immer nur etwas von »mir geht es gut« oder »mir geht es den Umständen
entsprechend«. Alles nichts weiter als hohle Floskel, wie die gesamte
Veranstaltung.
    Meine Schritte führten mich an die
Bar und auch der Kellner sah mich mitleidvoll an. Es musste sich schnell
herumgesprochen haben, wer ich war, wenn selbst ein mir völlig fremder Kellner
mir seine besondere Aufmerksamkeit zukommen ließ.
    »Bitte Sie nicht auch noch«, stöhnte
ich und bestellte einen Whisky. Vielleicht war er dazu im Stande meine Sinne
mit Wärme zu erfüllen.
    Ein unbekannter Mann kam auf mich zu
und reichte mir die Hand. »Ach Frau Dryker, da sind Sie ja! Ich habe Sie schon
überall gesucht. Ich war noch gar nicht dazu gekommen, Ihnen persönlich mein
Beileid auszusprechen.« Mein irritierter Blick verunsicherte ihn und so setzte er
schnell hinzu: »Mein Name ist Dr. Eisenfelder. Ich bin – ich meine ich war –
der Chef Ihres Mannes.«
    Ich musterte ihn. Er schien um die
sechzig zu sein und das Jackett spannte über seinem Bauch. Robert hatte keine
besonders hohe Meinung von ihm gehabt.
    Sicherlich war er was das Thema
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