Schamanische Weisheit für ein glueckliches Leben

unserer Tradition werden die Lehren und Weisheiten vorgelebt und mündlich weitergegeben. Ich lernte von meiner Großmutter Aanakasaa und von meiner Mutter Aanaa Aanaqqii, den grönländischen Heilerinnen – durch Beobachtung, Selbsterfahrung und viele Prüfungen, denen ich mich stellen musste. Als meine Mutter starb, trat ich ihre Nachfolge als Ältester unseres Clans an. Mein Urururgroßvater war der letzte offizielle Schamane unserer Familie, denn die Kirche verbot als Erstes alle traditionellen Zeremonien, als sie ihre führende Rolle in Grönland einnahm. Und als mich eines Tages die Ältesten unserer Familie auf den heiligen Berg in der Nähe des großen Eises sandten, war ich völlig überrascht. Denn das bedeutet, die Initiation zum Schamanen zu empfangen.
    Das ist eine schwere Prüfung. Ich sollte 24 Stunden lang dort oben im Zwiegespräch mit meinem Schöpfer sein: nur ER und ich. Ich durfte nicht um Hilfe bitten, ich durfte nur zu IHM sprechen. Ohne meine Medizin, ohne Nahrung und Getränke und auch ohne Decken oder Zelt, die das Leben bei Minusgraden so angenehm machen. Oben angekommen, zog ich einen imaginären Steinkreis von etwa fünf Metern Durchmesser. Ich stellte mich hinein und fing an zu sprechen. Nach einer gefühlten Stunde fiel mir kaum noch etwas ein, und nach einer gefühlten weiteren halben Stunde wusste ich meinem Schöpfer überhaupt nichts mehr zu sagen. So ging ich dort oben meine Runden und rief mir unzählige Begebenheiten meines Lebens ins Gedächtnis – auf der Suche nach Dingen, die ich preisgeben wollte.
    Kennst du Situationen, in denen man nicht weiß, was man tun soll, und im nächsten Augenblick kommt einem so etwas wie die buchstäbliche Erleuchtung? In der Zeitspanne eines Wimpernschlags verstand ich plötzlich, dass das hier meine Prüfung war: Es ging um meine Beziehung zum Schöpfer. Wollte ich mich mit schönen Geschichten brüsten oder wollte ich eine wahrhaftige Beziehung? Wollte ich nur meine guten Seiten ins Licht stellen oder wollte ich mich zeigen, wie ich wirklich bin? Dann musste ich auch über Dinge sprechen, bei denen ich nicht gut abschnitt, die ich tief in meinem Herzen vergraben hatte. Ich musste mir selbst ins Gesicht schauen, meine Maske herunternehmen und meine Geheimnisse offenbaren. Sogar jetzt fiel es mir noch schwer, und ich versuchte, mich vor den wirklich unangenehmen Dingen zu drücken. Doch ich merkte an einem inneren Schmerz, dass das nicht funktionierte, dass ich dabei nur mir selbst schadete.
    Das war der Beginn meines wirklichen Zwiegespräches mit dem Schöpfer. Und danach konnte ich verstehen, was meine Großmutter Aanakasaa meinte, wenn sie sagte: Eines Tages wirst du wahrhaft zu dir nach Hause kommen, zu dir selbst. Und dann wirst du auf gute Weise gehen, aufrecht und kraftvoll entsprechend deiner Bestimmung – für alle Zeiten.

ZEREMONIE FÜR DIE BEGEGNUNG MIT DEM SCHÖPFER UND SICH SELBST
    Für dein Gebet des Herzens brauchst du nicht auf den heiligen Berg nach Grönland zu gehen. Mit dem Schöpfer kannst du immer sprechen, wann und wo du willst. Für den Anfang mag es allerdings im geschützten Raum eines Zimmers einfacher sein. Achte darauf, dass du die nötige Ruhe im Außen hast und nicht gestört wirst. Wenn du magst, gestalte einen kleinen Altar (Seite > ) und zünde dir eine Kerze an. Damit bereitest du dich auch innerlich auf das Zwiegespräch mit dem Schöpfer vor. So habe ich es gelernt – mach du es so, wie es für dich passt.
    Setze dich so hin, dass du es bequem hast, denn sonst sind deine Gedanken mit Nebensächlichkeiten beschäftigt. Schließe die Augen für diese Welt und dann sprich aus dem Herzen zu deinem Schöpfer. Erzähle ihm, wie es dir geht, was dir Freude bereitet, welche Sorgen und Nöte du hast. Berichte ihm von den Dingen, die du gerne tun würdest, für die du aber vielleicht nicht den Mut findest. Oder von dem Moment, als du die Unwahrheit gesagt hast, weil du dich nicht getraut hast, wahrhaftig zu sein. Sei mutig. Setze deine Maske ab. Zeige dich so, wie du bist, erzähle die Dinge, die du bisher sorgfältig unter Verschluss gehalten hast. Sprich über deine Ängste, über deine Sorgen und Nöte, über alles, was dich bedrückt. Erzähle ihm von dir. Zeige dich mit all deinen Seiten. Denn das ist wahre Größe: sich seinem Schöpfer so zu zeigen, wie man ist.
     
    DAS BRINGT DIESE ZEREMONIE IN DEIN LEBEN
    Wenn du das Herzensgebet regelmäßig durchführst, wirst du Erleichterung und Frieden erfahren,